Komplette Story (Aktuell)

 

Dark Poker

 

 

Epilog:

 

Sachiko und ihr Mann Shane sassen im Auto, auf dem Rücksitz Alec, ihr fünf Jahre alter Sohn. Die kleine Familie war auf der Rückreise von ihren Ferien in Japan. Ein mehrstündiger Flug lag hinter ihnen, als sie schliesslich am Flughafen von Wilmington gelandet waren, dort ihr Auto abgeholt hatten und los gefahren waren.

Regen prasselte auf die Autoscheibe und die Scheibenwischer glitten schnell von einer Seite zur anderen, und wieder zurück. Der Wind peitschte um den Wagen herum und es schüttete wie aus Eimern. Shane konnte alles was vor ihm passierte kaum noch erkennen, gab sich aber alle Mühe nicht vom Weg abzukommen. Holpernd fuhr das Auto durch eine Seitengasse, die mit Pflastersteinen bedeckt war. Langsam rollte das Auto den engen Weg entlang.

 

„Kannst du die Scheibenwischer nicht schneller stellen?“, wollte Sachiko von ihrem Mann wissen, „man sieht ja fast nichts!“ Shane schüttelte den Kopf: „Sie laufen schon auf höchster Stufe.“ Blinzelnd versuche er durch die Wasserflut auf der Frontscheibe zu blicken. Abermals krachte etwas und Sachiko schrie auf, doch meistens war es nur ein Fenster, welches durch den Wind zu geschlagen wurde. Langsam steuerte Shane den Wagen um eine Kurve und dann wieder gerade aus. Auf beiden Seiten des Autos ragten Bäume in die Höhe, die vom Wind kräftig ins Taumeln gebracht wurden. Es blitzte und donnerte abermals, doch der kleine rote Volkswagen fuhr unbeirrt den Waldweg entlang.

„Schatz, wir sollten nicht durch den Wald fahren! Lass uns umdrehen und eine andere Route wählen. Mir ist das nicht geheuer…“, flüsterte Sachiko. Shane nahm eine Hand vom Lenkrad und berührte damit ihre Wangen. „Alles ist gut.“, sagte Shane und blickte seiner Frau kurz ins Gesicht, bevor er sich wieder der Strasse zuwandte. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich bringe uns alle wohlbehalten nach Hause zurück.“ Sachiko schmunzelte und warf ein Blick über die Schulter, um nach Alec zu sehen.

„Er schläft“, teile sie ihrem Mann mit, „er ist so süss wenn er in seine Träume versunken ist… Weißt du noch Shane, als wir ihn das erste Mal in den Kindergarten gebracht haben, wo er sich aber schlicht und einfach geweigert hat, ohne uns dort zubleiben?“ Ein leises Kichern kam aus ihrem Mund. „Ja“, antwortete Shane, „und wir sind den ganzen Tag dort geblieben und haben mit ihm gespielt.“ – „Die Kindergärtnerin hat gemeint, wir sollen ihn in Ruhe lassen, dass er sich mit anderen Kindern anfreundet und es ihm am nächsten Tag gelingt, sich von uns zu trennen.“, fügte Sachiko hinzu. „Und das jeden Tag. Alec wollte uns partout nicht verlassen und erst nach einem halben Monat, konnten wir ihn bis zum Gartentor des Kindergartens begleiten und uns dann von ihm trennen. Dies ging so weiter, bis er selbstständig seinen Weg zum Kindergarten lief.“

Shane lachte laut und warf den Kopf in den Nacken: „Du hast recht, unser kleiner Junge hat ganz schönes Theater gemacht, aber jetzt ist er ja schon gross.“ – Na ja, für mich ist er immer noch klein, aber ich freue mich schon auf seine erste Freundin, die er mit nach Hause bringt.“ – „Na, all zu lange musst du ja nicht mehr warten, er wird sicher ein Frauenschwarm sein.“, sagte Shane. Sachiko schmunzelte und gab Shane einen Kuss auf die Wange, dann schaute sie wieder nach vorne durch den Wasserschleier hindurch.

Ein weiterer Donnerschlag folgte dem leuchtenden Blitz und der laute Knall weckte Alec, der sofort zu weinen begann. Kleine Tränen kullerten über seine Wangen, aber Sachiko fing sie mit dem Zeigefinger auf, bevor sie den Boden berühren konnten. Sie hauchte ihm ein paar zärtliche Wörter in Ohr, wie: „Keine Angst, ich bin ja da.“ Als Alec`s Weinen langsam leiser wurde, begann sie zu singen:

 

„Siehst du doch, da vorne steht`s. Wirst du immer bei mir sein, hast du geglaubt, ich würde dich jemals verlassen. Oho, nein…

Blick auf zu Sternen sie werden bei dir sein. Sie wachen über dich und bewahren dich vor schlimmen Dingen.

Schlaf nun ein mein Kind, du brauchst nicht wach zubleiben. Wir alle wachen über dich und lassen dich nie allein…“

 

So fuhr sie fort und Alec fiel wider in einen ruhigen Schlummer. Sachiko drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und wandte sich wieder nach vorne. „Du bist eine tolle Mutter.“, säuselte Shane, nachdem er sich versichert hatte, das Alec genügend tief schlief, um nicht wieder aufzuwachen. „Danke…“, entgegnete Sachiko, „aber du bist auch ein guter Vater und Mann.“ Ihre Augen klimperten, als sie dies hinzufügte. Am liebsten hätte Shane sie sofort in seine starken Arme geschlossen, aber er durfte das Lenkrad nicht loslassen, denn im Augenblick war die Strasse so ungleichmässig, dass er einige Schwierigkeiten hatte, nicht immer näher an die Bäume zu geraten.

Shane nahm den Fuss vom Gaspedal, weil er gerade nichts erkennen konnte. Der Wagen wurde langsamer, bis er schliesslich zum Stehen kam. „Was ist?“, fragte Sachiko. „Ich sehe rein gar nichts und der Boden ist aufgeweicht, sodass es nicht mehr lange dauern kann, bis eines der Räder in den Boden einsinkt.“ – „Aber wir können auch nicht einfach hier warten, bis der Regen aufhört! So wie es im Moment schüttet, bezweifle ich, dass es nachlässt.“, widersprach Sachiko. Shane nickte und fuhr an, doch noch keine zwei Meter waren sie gefahren, als sie ein lautes Puffen hörten, der Motor aufheulte und schliesslich versagte. „Darf denn das wahr sein.“, seufzte Sachiko und hielt sich die Hände an den Kopf. „Ich gehe nachschauen. Vielleicht ist eine Schraube locker, oder ein Schläuchlein ist geplatzt. Das kann vorkommen, wenn das Auto überfordert ist und unseres ist ja sowieso nicht mehr das was es einmal war.“

 

Shane klappte die Autotür auf und stieg in die rauschenden Fluten des Regens. Die Jacke über den Kopf haltend, öffnete er die Motorhaube, um nach dem Rechten zu sehen. Einige Minuten, stand Shane im Regen und musterte das Gewirr von Schläuchen, Ventilen und Dingen, die er nicht benennen konnte. Sachiko widmete sich derzeit Alec, die ihn fest in eine warme Decke wickelte und mütterlich ansah. Nach einiger Zeit, löste sie ihre Augen von Alec und drehte sich, um Shane ins Visier zu nehmen, der immer noch eifrig am Motor herum schraubte. Sie erspähte zwei kleine Lichter, weiter hinten in der Strasse, die rasend schnell näher kamen. Zuerst waren es nur kleine Flecken, dann wurden sie in atemberaubender Geschwindigkeit grösser, bis Sachiko die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos erkannte.

Sie schrie Shane etwas zu, doch der konnte sie durch den prasselnden Regen nicht verstehen und schaute sie nur verwirrt und fragend an. Als Sachiko mit fuchtelnden Händen Shane bedeutete, dass er nach hinten schauen musste, wandte er sich um und erstarrte. Das entgegenkommende Auto, machte keine Anstalten langsamer zu werden, sondern legte nochmals einen Gang zu. Es raste auf den Volkswagen der Familie zu, Shane wollte schon zur Seite springen, aber da seine Schuhe in den schlammigen Boden eingesunken waren, fiel er hin. Sachiko kreischte und hielt sich die Hände vor das Gesicht, als wolle sie mit dieser Bewegung das Auto verschwinden lassen.

Der Raser steuerte sein Auto direkt auf die Familie zu und bevor sich Shane aufrichten und aus dem Weg hechten konnte, krachte das entgegenkommende Auto mit voller Wucht gegen Shanes Rücken. Shane wurde nach vorne geschlagen, knallte mit dem Kopf gegen die Frontscheibe, sein Körper wurde zu Brei gemahlen und die Front des Autos eingedrückt. Sachiko und Alec wurden nach vorne geschleudert. Blut quoll aus Shanes Mund, welches die Scheibe hinab floss. Shane würgte und zuckte. Er konnte sich nicht rühren und er merkte wie Kälte in ihm aufkam. Seine Augen weiteten sich und er spuckte erneut Blut. Sachiko war wie in Stein gemeisselt. Die Hände vor das Gesicht gedrückt, zu geschockt um sich zu rühren. Alec weinte und krähte aus Leibeskräften. Sachiko sah ihren Mann an, sah ihn aber nicht wirklich. Es konnte nicht sein. Ein weiterer Bach Blut floss aus Shanes Mund, Nase und Ohren.

Sachiko schrie. Shane hustete, dann erschlaffte er. Sachiko sah, wie sein Körper jede Spannung auflöste, die seine Muskeln bewegt hatten und sein Herz schlagen liessen. Shane schnaufte seinen letzten Atemzug aus, dann rührte er sich nicht mehr. Die Augen weit geöffnet lag er da, und das Blut wurde vom Regen weg gewischt. Sachiko schluchzte und schrie aus voller Kraft in die Nacht hinein, liess der Trauer ihres Herzens freien Lauf und Tränen, welche der Regenflut draussen ähnelten, rannen ihr die Wange hinab und tropften auf den Autositz. Keiner würde mehr da sein, der diese Tropfen auffangen würde. Niemand wird für sie und den kleinen Alec sorgen. Alles war vorbei. Alles… Sachiko liess ihre Hände sinken. Ihr war es gleich, dass ihre Beine zwischen dem Sitz und der eingedrückten Front eingeklemmt waren und ihr Körper schrie, als sie langsam das Gespür für ihre Beine verlor. Auch die Platzwunde an ihrer Stirn, hielt sie für nicht die Rede wert, im Gegensatz zu ihrem seelischen Kummer den sie durch litt.

 

Unter grösster Anstrengung schaute sie auf die Rückbank, um zu sehen wie es Alec geht. Dieser weinte laut, schien aber nicht verletzt zu sein. Ein kleiner Trost flammte in Sachiko auf, als sie Alec erblickte. „Alec ist da. Er wird auch weiterhin bei mir sein.“ Und bei dem Gedanken an ihren Mann schluchzte sie abermals. Zitternd griff sie nach ihrer Handtasche, die bei dem Zusammenstoss an die Frontscheibe geklatscht war und nun am Boden lag und wühlte darin umher und umklammerte ihr Handy. Der kleine Anhänger glitzerte im Licht der Scheinwerfer des anderen Autos. Es war eine Rose die so feine Konturen besass, dass sie durchaus als Echte durchgehen konnte, wäre sie nicht um ein Vielfaches kleiner und aus einem Edelstein angefertigt worden. Es war Shanes Geschenk an Sachiko zu ihrem fünften Jahrestag gewesen.

Sachiko versuchte ihren Finger auf die Taste mit der Nummer eins zu drücken, aber das Zittern ihres Körpers war so heftig, dass alles was sie berührte ebenfalls bebte. Mit Mühe gelang es ihr auf die Ziffer zu drücken, und anschliessend rasch zwei Mal hintereinander auf die Taste mit der Zahl vier drauf. „Hundertvierundvierzig“, sagte Sachiko, „der Notruf“. Immer noch bebend hielt sie ihr Handy an ihr Ohr und wartete. Die Sekunden die verstrichen, bis jemand auf der anderen Seite der Leitung den Hörer abnahm, kamen ihr vor wie Stunden oder Tage. „Notruf hundertvierundvierzig! Wie kann ich helfen?“, erklang eine aufgeregte Männerstimme aus dem Handy. Stotternd erzählte Sachiko das Ereignis in Kurzformat und unterdrückte bei jedem Wort ein Schluchzer. Als sie ihren Aufenthaltsort angegeben und geendet hatte, sprach der Sanitäter: „In Ordnung! Wir rücken aus. In etwa zwanzig Minuten sind wir bei Ihnen!“ Er legte auf und Sachiko sagte: „Dann ist es aber wirklich zu spät… Ich stecke hier fest, ob Alec vielleicht innere Blutungen hat, weiss ich nicht, und Shane…“ Sie schaute durch das Fenster, an dem immer noch Blut klebte, auf das friedliche Gesicht ihres Mannes, dessen graublauen Augen offen standen.

Es schüttelte Sachiko und Einsamkeit breitete sich in ihr aus und übertönte die Trauer. Sie war zu müde um weiter zu heulen, zu kraftlos um sich aus der Einklemmung zu ziehen und zu traurig, um Shane`s Leiche noch einmal sehen zu können. Sie wurde ganz ruhig. Aus der Platzwunde auf ihrer Stirn sickerte dunkelrotes Blut in ihr schwarzes langes Haar. Sachiko lehnte den Kopf zurück und versuchte an nichts zu denken, einfach in sich zu verschwinden und nicht mehr heraus zu kommen. Alec`s schrilles Weinen hörte sie nur noch aus weiter Ferne. Sie war bleich, denn sie hatte viel Blut verloren. Eine einzelne Träne kullerte ihr über die Wange, die sich sogleich mit der roten Flüssigkeit, die von ihrer Stirn austrat, vermischte. „Shane. Alec. Ich hab euch ganz fest lieb.“, flüsterte sie, dann wurde ihr schwarz vor Augen. Ihr Geist, glitt über die Stufen zum Jenenseits und verschwand für immer.

 

Als die Sanitäter, der Leichenwagen und die Polizei eintrafen, fanden sie einen Ort, der überströmt war von Blut. Die beiden Autos waren zum Verschrotten. Zwei Sanitäter liefen zum Auto des Rasers hinüber, andere zwei zum Volkswagen der Familie, nachdem die Polizei alles aufgezeichnet hatte. „Ein so trauriges Schauspiel habe ich noch nie gesehen.“, sagte ein Polizist, als er mitansah wie ein Sanitäter Shane`s Augen schloss und ihn unter ein Leichentuch legte. In seinem Unterleib und seinen Beinen waren alle Knochen zerschmettert worden. Nur der Oberkörper und der Kopf waren nicht zu Brei geworden. Auch Sachiko wurde abtransportiert. Ihre Augen waren bereits geschlossen gewesen, was den Sanitätern sagte, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit verblutet war. Der Raser war ebenfalls tot, und konnte somit keine Auskünfte mehr geben. Auch dieser wurde mit einem Leichentuch von den Blicken Neugieriger geschützt.

Eine Sanitäterin entdeckte Alec, wie er immer noch weinend auf seinem Rücksitz sass. Seine Augen waren verquollen, als habe er stundenlang getrauert. „Mit Sicherheit hat dieser Junge einen bleibenden psychischen Schaden, und vielleicht kann er sich nie mehr in ein Auto setzen, oder mit jemandem Freundschaft knüpfen.“, berichtete ein Sanitäter den Polizisten. Diese liessen den Kopf hängen. „Dass einem Kind so etwas passieren kann… Unglaublich. Ich frage mich, wo Gott zu dieser Zeit gesteckt hatte.“, flüsterte ein junger Polizist. Dieser war erst seit Kurzem bei der Streife und hatte noch nie einen Unfallort mit eigenen Augen gesehen. Einer der Älteren legte ihm eine Hand auf die Schultern und sagte: „Gott ist nicht mit allen Menschen gerecht, mein Junge.“ Dann lief er weiter. „Wie geht es dem Kleinen?“, wollte der junge Polizist wissen. „Psychisch ist er labil, aber physisch scheint er in Ordnung zu sein, ausser er habe ein leichtes Schleudertrauma.“, antwortete ein Sanitäter mit weissem Schnurrbart, der auf beiden Seiten seines Mundes hinab wuchs. Der junge Polizist schüttelte den Kopf: „Bringt ihm so schnell wie möglich ins Krankenhaus! Hier können wir nicht mehr viel für ihn tun. Fahrt los, wir regeln das hier.“, und deutete auf die kaputten Autos und die riesige Blutlache.

Die Sanitäter sassen in das Krankenauto, ein paar vorne und mehrere hinten zu Alec und fuhren mit Blaulicht los in den Spital. Shane, Sachiko und der Raser wurden mitsamt dem Leichentuch in dem Leichenwagen verlagert, bevor auch dieser seines Weges ging. Nur die Polizei blieb noch, um eventuelle Spuren eines geplanten Mordes zu suchen.

 

Der Krankenwagen ratterte über den holperigen Waldweg und schon bald gelangte er auf eine Hauptstrasse. Im hinteren Teil des Wagens, versorgten vier Sanitäter Alec`s Wunden. Sie waren nicht lebensbedrohlich, doch Vorsicht hatte noch keinem geschadet. Mehrere Kratzer und Schürfungen überdeckten Alec`s Köper und Gesicht, doch keine blutete. Ein Sanitäter hatte Alec eine Maske aufgesetzt, mit der er besser atmen konnte. Sein kleiner Körper lag auf einem Bett und sein Hals wurde mit einer Halskrause stabilisiert, denn die Befürchtung der Sanitäter, dass Alec ein Schleudertrauma hatte, hatte sich bewahrheitet. Konzentriert kümmerten sich alle Anwesenden um Alec. Er schrie nicht mehr, sondern wimmerte leise vor sich hin.

Mit einem leisen Quietschen der Bremsen, kam der Krankenwagen vor dem Spital zum Stehen. Die Rollen des Bettes, auf dem Alec lag, wurden heraus geklappt und flitzten über den Boden des Spitals, als die Sanitäter Alec in einen Behandlungsraum brachten. Die Zeit verstrich, denn Alec nahm nur die Hälfte seiner Umgebung war. Er war kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Seine Gedanken schwirrten im Kopf herum und fanden ihren rechtmässigen Platz nicht mehr.

Die Behandlung ging zu Ende und die Sanitäter brachten ihren Patienten in sein Zimmer, wo er einer Krankenpflegerin übergeben wurde, die sich von nun an, für den Rest seines Aufenthaltes im Krankenhaus, um ihn kümmern würde. Alec wurde in sein Bett gelegt und obwohl dieses Kissen und diese Bettdecke überhaupt nicht vertraut rochen, und er sonst eigentlich nie schlafen konnte, wenn er den Geruch seiner Mama nicht wahrnahm, siegte die Müdigkeit und er schlief ein.

 

Alec schlief mehrere Tage durch. Die Ärzte meinten, dies täte der Körper automatisch, um den Stress seiner Seele zu verarbeiten. „Er ist noch ein Kind und so früh, auf einen Schlag seine Eltern zu verlieren ist schon brutal.“, bemerkte an einem Morgen ein Arzt, als Alec schon drei Tage lang ohne Unterbruch geschlafen hatte. „Weiss man eigentlich schon was Neues über den Junge?“, fügte er hinzu. Die Krankenschwester, die Alec seit seinem Eintreffen im Krankenhaus betreut hatte nickte, holte Alec`s Akte aus einer Schublade des Schreibtisches und berichtete: „Sein Name ist Alec Shay, sein Vater heisst Shane Shay, von amerikanischer Nationalität und seine Mutter ist Sachiko Shay-Yamasaki, von japanischer Nationalität, ist aber eingebürgert worden. Alec ist jetzt fünf Jahre alt, geboren am 13. September und die Familie wohnt am Stadtrand von Wilmington. Der genaue Ort ist nicht bekannt.“, schloss sie. Sie schaute von der Akte auf und sah ihren Chef an. Dieser nickte und schritt den rechten Gang entlang davon.

 

Eine Woche lang hatte Alec geschlafen, bis er schliesslich langsam die Augen öffnete. Ihm war ein wenig schwindelig und das viele Weiss irritierte ihn. Eine grosse grüngelbe Pflanze wuchs neben dem Fenster, welches offen stand. Ein leichter Wind wehte um seine Ohren, als er sich aufsetzte. Alec hatte nicht das Bedürfnis das Fenster zu schliessen. Lieber musterte er seine Umgebung. Den Laken, den er um seinen schmalen Körper gewickelt hatte, war ebenfalls weiss. Neben ihm war ein Infusionsständer, an dem ein kleiner Beutel mit klarer Flüssigkeit hing. Der Schlauch von dem Beutel führte zu seiner linken Hand und ging dort in ein ganz feines Schläuchlein über, welches in seiner Haut steckte.

Alec spürte nicht den geringsten Schmerz. Ihm war alles egal. Die pfeifenden Vögel, die draussen auf einem Baum sangen, oder der Vorhang, der im Wind wehte. Alles war ihm egal. Alles. Er brauchte eine Weile, bis ihm klar wurde was geschehen war. Tränen schossen in seine Augen und liefen sein Gesicht hinab, doch er gab keinen Laut von sich. Alec klammerte sich an die Decke und rollte sich zusammen. Einem Bach gleichend flossen die salzigen Tropfen über seine Nase und fielen auf das weisse Bett. Alles war weiss, nur seine schwarzen Haare stachen wie Dornen aus dem Szenenbild heraus. Er blinzelte abermals und nach einer Weile verebbte der Tränenstrom und nur noch die Stimme der Natur war zu hören.

Ihm kam es vor, als seien seine Eltern schon vor Jahren fort gegangen. Kalte, einsame Leere breitete sich in ihm aus und er ergriff den Laken noch fester. Seine Eltern würden nie wieder kommen, dem war er sich sicher. Das Lied, welches seine Mutter für ihn immer gesungen hatte, wenn er sich einsam gefühlt hatte oder nicht schlafen konnte, ging ihm durch den Kopf. Wort für Wort, Satz für Satz, Strophe für Strophe. Seine Gedanken überschlugen sich, als das schreckliche Ereignis letzter Woche, mit voller Wucht auf ihn einflutete: Der prasselnde Regen, die kreischenden Stimmen, ein kleines Lichtchen, welches immer grösser wurde, dann ein lauter Knall, weitere Schreie und dann; Stille.

 

Mehrere Wochen blieb Alec noch in diesem Krankenhaus, wo alles weiss war. Ein Psychologe betreute ihn regelmässig, zusammen mit der freundlichen Pflegerin, die ihn so nett empfangen hatte. Die Stunden die er bei diesem Psychologen verbrachte, war für ihn pure Zeitverschwendung. Seine Eltern würden damit nicht wieder lebendig werden und auch seine Alpträume, die ihn jede Nacht heimsuchten, wollten nicht aufhören. Also, was brachte diese Beratung schon? Zu all dem plagte Alec den Gedanken, in ein Waisenhaus gesteckt zu werden. „Da geh ich nie und nimmer hin!“, hatte Alec seinen Psychologen angeschrien, als der ihm klar machen wollte, dass Alec nicht alleine zu Hause bleiben könne. So ohne Betreuung. „Ich bin schon gross! Ich kann auf mich selber aufpassen!“, hatte er getobt. Die Ärzte meinten, Alec sollte am besten den Termin gleich wissen, an dem er den Spital verlassen und in ein Waisenheim gehen würde. Weinend war Alec aus dem Raum gestürzt als er dies erfuhr: 12. Oktober. Das Datum für den Eintritt in die Hölle.

 

 

12. Oktober

 

Alec hatte seine Sachen gepackt. Er musste nicht lange alles zusammen suchen, denn alles was er besass, war ein Foto von ihm und seinen Eltern, welches sie in den Ferien in Japan gemacht hatten, und einen kleinen Stapel Klamotten.

Seine Tasche neben sich liegend, wartete Alec vor dem Eingang zum Krankenhaus auf seine Pflegerin, welche gerade ihr Auto holte. Sie sollte ihn zum Waisenhaus bringen. Alec hatte noch nie etwas Gutes von einem Waisenhaus gehört. Seine Kameraden hatten ihm erzählt, dass es dort nur doofe Kinder gäbe, die Waisenhausleiterin eine Teufelin wäre und das Essen ekelhaft sei. Kurz gesagt, es sei der Horror. Alec hatte sich immer gesagt, er würde lieber sterben, als dort hin zu müssen, aber an diesem Tag blieb ihm keine Wahl als sich in das Verderben zu stürzen. Der weisse Wagen hielt vor seiner Nase, Alec packte seine Tasche, öffnete die Autotür und stieg ein. Ihm war etwas mulmig zu Mute. Seit dem Unfall war er nicht mehr in einem Auto gesessen, und als die Krankenschwester aufs Gaspedal drückte, der Wagen los düste, schrie Alec vor Schreck auf.

 

Es war wahrlich eine Höllenfahrt. Das weisse Auto rutschte auf dem nassen Boden um die Kurven und obwohl die Krankenschwester vorsichtig fuhr, klammerte sich Alec an allem fest, was er erreichen konnte. Er war kreide bleich und ihm war übel. Die Fahrt hatte nur eine viertel Stunde gedauert, doch für Alec mehr als genug. Der Wagen war noch nicht still gestanden, da hüpfte Alec mit seiner Tasche aus dem Auto und erbrach sich ins Gras neben an. Er hob den Kopf und betrachtete das Waisenhaus. Nun war es also so weit. Er stand mit seinem Gepäck vor dem Gebäude, wo er die nächsten paar Jahre verbringen würde. Ein Schauder lief über Alec`s Rücken hinunter. Das Haus sah aus wie eine Villa, nur alt und zerfallen. Alec blickte sich über die Schulter zu der Pflegerin um, um eine Erklärung zu erhalten, ob sie hier wirklich richtig waren. Die Krankenschwester nickte. Alec atmete tief durch und machte den ersten Schritt in die Hölle.

 

 

 

 

 

Kapitel 1

 

Alec schreckte aus dem Schlaf. Er verwuschelte seine schwarzen Haare. Der Traum hatte sich so echt angefühlt. Als ob es gerade erst passiert wäre. Alec war einundzwanzig Jahre alt und lebte in seiner Bude in Mitten einer Verlassenen Gegend einer Stadt in Japan.

Alec schlug die Bettdecke zurück und kroch aus dem Bett. Es war noch früh am Morgen, doch Alec wollte nicht mehr weiterschlafen. Er hatte Kopfschmerzen von seinem Kater, denn er hatte am Tag zuvor einen über den Durst getrunken. Alec öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Milch heraus. Ohne den Inhalt zuerst in ein Glas zu leeren, hielt er sich die Flasche an den Mund und trank in grossen Schlücken. Milch war sein Heilmittel gegen Kopfschmerzen und Alec war froh zu wissen, dass diese weisse Flüssigkeit ihn wieder munter machte. Er stellte die Milch zurück auf die Ablagefläche im Kühlschrank, schloss ihn und machte sich daran, die Vorhänge in seiner Wohnung zurück zu ziehen.

 

Die Sternen und der Mond standen noch am Himmel und Alec öffnete ein Fenster. Die kühle frische Morgenluft blies ihm ins Gesicht. Er schloss die Augen und atmete tief durch. „Jetzt noch eine kalte Dusche und der Tag kann beginnen.“, sagte Alec vor sich hin. Nur mit der Unterhose bekleidet schlurfte Alec zum Bad hinüber, zog sich aus, stieg in die Wanne und drehte den Hahnen voll auf. Das kalte Wasser spritze über seinen Kopf und benetzte seinen Körper. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus und einige Minuten stand er unter dem Wasser, bis er schliesslich zum Fläschchen mit dem Duschmittel, AXE Africa, griff. Die Seife bildete kleine Schaumbläschen, die Alec mit einem Handwisch platzen liess. Nun noch die Haare shampoonieren, abduschen und fertig. Alec kletterte aus der Wanne, nachdem er sich das blaue, flauschige Abtrocknungstuch um die Hüfte geschlungen hatte. Alec hatte straffe, leicht braune Haut. Seine kräftigen, mit Muskeln bedecken Arme, hingen leicht angewinkelt von beiden Seiten seines Körpers herunter. Kein einziges Haar wuchs an seiner Brust.

Mit noch feuchten Haaren durchquerte Alec sein Appartement und zog ein paar Kleider aus dem Einbauschrank: Eine dunkelblaue Jeanshose, ein weisses T-Shirt mit der Aufschrift: „Beach-Party“, eine Unterhose und ein Paar Socken.

Frisch gekleidet lüftete Alec die Wohnung durch und machte sich währenddessen Spiegeleier mit Speck und Toast. Der Speckt brodelte bereits in der Pfanne, als Alec die Fenster schloss und der leichte Wind, welcher das Appartement durchzog, unterbrach. Alec holte Messer und Gabel aus einer Schublade, setzte sich an den Tisch und begann zu essen. Neben ihm war die Zeitung von gestern und auf der Titelseite stach der Artikel: „White Deer: Neuer Aufschub“, heraus. Darunter war ein Artikel verfasst:

 

„Die Organisation White Deer gelangt zu neuer Macht. Der Chef verkündigte in der letzten Nacht auf Dienstag einen neuen Massenmörder gefangen genommen zu haben. „Der Verantwortliche für sechs Morde an Touristen, Mizuka Hoshiro, konnten wir bei unserem letzten Ausruck festnehmen. Die Gefahr die von diesem Mann ausgeht ist gebannt! Er wird zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt.“, so der Chef.

Mehr dazu finden sie auf den Seiten zwölf und dreizehn.

 

Alec nahm den letzten Bissen und stand auf. Er gähnte, streckte sich, nahm den Teller, Messer und Gabel und lief zum Spülbecken hinüber. Alec liess heisses Wasser ein und spritzte Seife hinein. Sofort entstanden grosse Seifenblasen, die kurz danach aufstiegen und in der Küche umherflogen. Immer wieder stupste Alec eine an, welche platzte und ein Schmunzeln auf Alec`s Gesicht zauberte. Er liebte Seifenblasen und ging deshalb auch öfters in die Badewanne, wo er immer mehr Schaum herstellte, als Wasser einliess. Die weisse Badeente mit ihrem orangen Schnabel trieb dann immer auf einer dicken Schicht weisser Bläschen. Während Alec das Geschirr spülte, summte er ein Lied vor sich hin, welches im Radio lief und er nicht mehr aus seinen Gedanken vertreiben konnte. Mit einer Bürste schrubbte er den Teller, liess Heisswasser darüber fliessen und trocknete ihn ab. Mit Messer und Gabel wurde das Selbe gemacht, und als alles aufgeräumt war, schritt Alec zur Tür, nahm seinen schwarzen Mantel, packte seinen Schlüsselbund mit je einem Schlüssel für sein Auto und einen für die Wohnung und verliess seine Bude.

 

Alec stieg die Treppe hinab und schritt zu seinem schwarzen Chevrolet Impala hinüber, der auf einem Parkplatz direkt vor dem Haus stand. Liebevoll tätschelte Alec seinen Wagen bevor er einstieg. Das Auto war Alec’s ein und alles. Er nennt es immer „Meine Süsse“. Alec drückte aufs Gaspedal, noch bevor er sich angeschnallt hatte. Er war auf dem Weg zu seinem alten Kumpel Danne, der ursprünglich aus Schweden kam, sich aber hier in Japan mit einer Bar eine Existenz aufgebaut hatte. Alec kurbelte das Autofenster mit der linken Hand hinunter und genoss die frische Luft. Früher war er oft im Freien gewesen und nicht selten hatte er auch draussen übernachtet. Der Wagen raste die Hauptstrasse entlang, an vielen Geschäften und Restaurants vorbei. Mit der Zeit, als Alec schon durch viele Gassen gekurvt war und die Sonne schon hoch am Himmel stand, erreichte er sein Ziel: Dark Poker. Die Bar lag in einer verlassenen Gegen am nördlichen Stadtrand. Die Umgebung war kahl und eine menge Schrott lag herum. Einige veraltete Fabriken standen nebenan und auf einem kleinen Hängeschild, welches an der Hausmauer der Bar hing, stand „Dark Poker“.

 

Alec parkte seinen Chevrolet Impala nahe einem Schrotthaufen, stieg aus und sah sich um. Kein einziger Vogel war zu hören, und die Gegend war so verlassen wie immer. Langsam ging Alec auf die Bruchbude zu, während er sich immer noch forschend umsah. Alec griff nach der Klinke, öffnete die Tür und trat ein. Der Laden bestand aus einem grossen Raum, einer Kammer hinter der Theke, wo Danne all seine Vorräte aufbewahrte und einer Treppe, die in den oberen Stock führte. Es herrschte stickige Luft und Zigarettenrauch trübte die Sicht. Alec strich sich mit der Hand durch das Haar, blinzelte mehrmals und schloss die Türe hinter sich. „Alec! Da bist du ja endlich! Ich hab dich schon erwartet.“, erklang eine laute Stimme, aus dem hinteren Bereich der Bar. Danne winkte ihn zu sich und lächelte. Er war ein grossgewachsener Mann, 25 Jahre alt, mit blonden Haaren und haselnussbraunen Augen.

Alec winkte zurück und schritt zur Theke. „Na, alter Knabe? Wie geht’s?“, fragte Danne während er Alec auf die Schulter klopfte. Alec grinste. „Das fragst du noch? Nachdem du mich gestern Abend dermassen abgefüllt hast? Du willst gar nicht wissen, was du meinem Kopf angetan hast.“ Danne lachte laut auf, sodass sich einige Kunden den Bar fragend zu ihm umwandten. „Du hast Neven Alec… Nicht zu fassen. Du beklagst dich wegen einem schmerzenden Kopf, stehst aber um diese Zeit schon vor meiner Tür? Ich glaube du verwechselst Schmerz mit Langeweile!“ Danne schüttelte den Kopf und seine blonden Haare wurden durcheinander gewirbelt. „Pha! Langeweile und Schmerz verwechseln… Ich glaube du hast es wiedermal nötig, dass ich dir eine verpasse.“ „Erstens: Wenn du das tust, schlage ich dir eine zurück und das ganze endet in einer Prügelei, bei der wieder Mal meine ganze Bar kaputt geht. Zweitens, du würdest dich dann etwa einen Monat nicht mehr bei mir blicken lassen können, weil du sonst einen Kopf kürzer werden würdest, und drittens würdest du dann etwa einen Monat, keinen Alkohol mehr bekommen. Obwohl, das würde dir mit Sicherheit auch nicht schaden.“ Danne lächelt und Alec blickte finster zurück, verwarf aber den Gedanken, Danne zu schlagen.

„Einen Monat ohne Alkohol… Das währe Mord.“ Danne grinste noch breiter und tätschelte Alec`s Kopf „Hab ich mir es doch gedacht. Alkohol ist für dich einfach zu wichtig. Tse tse… Das ist aber überhaupt nicht gut mein Kleiner.” Alec schlug Danne`s Hand weg und giftete: „Na und? Du bist nicht mein grosser Bruder, der mich zurecht weisen muss! Ich kann gut auf mich selbst aufpassen! Und ich bin nicht dein Kleiner!“ Alec schnaufte und seine Augen funkelten. „Na, na, nicht so aufbrausend. Aber ja, da muss ich dir zustimmen. Ich bin nicht dein grosser Bruder.“ Danne schaute betrübt auf seine Hände. „Ich bin nicht dein Bruder und somit auch nicht so wichtig für dich.“ Alec war wie erstarrt. Noch nie hatte Danne gesagt, dass er gerne sein Bruder gewesen wäre. Gute Kumpels waren sie schon seit langem, aber Danne hatte nie erwähnt wie wichtig ihn Alec war. „Tut mir leid… So war das nicht gemeint. Ich würde gerne dein Bruder sein, aber nur wenn du mich nicht so betüttelst wie vorhin.“ Danne schmunzelte und schaute Alec belustigt an. „Hätte nicht gedacht, dass du so offen sein würdest. Sonst spielst du ja immer den coolen mit dem Killerblick.“ Alec`s Blick verfinsterte sich wieder. „Ach komm schon, nicht so ernst! Lass uns einen Trinken.“

 

Danne verschwand unter der Theke und suchte nach einer brauchbaren Flasche Sake. Nach einer Weile tauchte er wieder auf und hielt eine weisse Flasche und zwei Schälchen in den Händen. „Sake? Bier hatten wir gestern und heute können wir uns doch mal eine Spezialität von Japan genehmigen. Reiswein…“ Danne füllte die Schälchen bis an den Rand und schob eines zu Alec hinüber, der es dankend annahm. „Nun Alec. Hast du den Zeitungsartikel von White Deer gelesen?“ - „Nur kurz überflogen… Ist ja nichts Besonderes wenn sie wiedermal einen von diesen Taugenichts schnappen.“, erwiderte Alec. „Alec! Weißt du nicht wer das war? Mizuka Hoshiro! Ein Stammgast bei mir in der Bar! Und ich bin sicher, der hatte was drauf. Erst vor einigen Tagen, hatte er mir erzählt, wie er einen der besten Agenten der White Deer erstochen hatte. Blutige Geschichte war es… Aber trotzdem, Alec. Mizuka steckt man nicht so leicht in die Tasche!“ Danne war völlig ausser sich und schlug mit der Faust auf die Tresen. „Danne beruhige dich! Sonst wird diese Bruchbude noch wegen dir zu Schrott und unterscheidet sich dann nicht mehr von der Umgebung.“ Alec dachte an die verkommenen Fabriken und Schrotthaufen, an denen er vorbei gekommen war. „Mizuka war nicht übel. Das gebe ich ja zu, aber er war auch nicht einer der Besseren. Von daher ist der Verlust nicht der Schlimmste.“ „Spinnst du jetzt völlig!“, brüllte Danne, „Unsere Leute verschwinden. Am Anfang waren es nur kleine Nichts, die verschleppt wurden, aber langsam werden es immer bessere Killer die verschwinden!“ Alec schaute Danne verdutzt an. „Seit wann ist dir das aufgefallen? Ich dachte, die White Deer begnügt sich immer noch mit kleinen Fischen?“, fragte Alec erstaunt und Danne antwortete: „Das stimmt nicht ganz. Sie suchen immer bessere Leute, die sie verhaften und ausquetschen können! Mizuka sagte mir, dass er zu viel weiss, was White Deer niemals zu Ohr gelangen dürfe! White Deer ist eine schreckliche Organisation, die weder Furcht, noch irgendeine Art der Ermittlungen scheut.“

 

Alec schaute finster und meinte: „Das weiss ich. Aber heisst also, sie werden Mizuka foltern und womöglich soweit bringen, dass er alles erzählt?“ Danne nickte. „Mizuka hat zwar einen starken Willen, aber das ändert nichts an den Massnahmen, die White Deer ergreifen wird.“ Danne schaute Alec durchdringend an. „Wenn wir nichts unternehmen, wird bald die ganze Stadt wissen, dass es solche wie dich gibt!“ Alec war erstarrt. „Aber dieser Vollidiot wird doch nichts verraten oder? Wenn er das tut, dreh ich ihm den Hals um.“ Alec ballte die Fäuste. „Das bringt doch nichts! Ihr Auftragskiller seit in ganz Japan zerstreut und so wird euch White Deer nacheinander aufspüren und gefangen nehmen!“, rief Danne.

Alec war bestürzt, dass Danne so reagierte. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Keine Angst Danne. Mir wird nichts passieren. Ich schaue mal bei White Deer vorbei und stopf diesem Taugenichts von Mizuka das Maul, wenn er auch nur in Erwägung zieht, etwas zu verplaudern.“ Danne war froh, dass Alec die Sache langsam ernst nahm und doch war er beunruhigt, dass Alec in einen der Stützpunkte von White Deer spazieren wollte, ohne sich Gedanken zu machen. Alec lächelte freundlich und seine Augen funkelten vor Begeisterung. Danne liebte Alec`s Augen. Wenn sie ihn ansahen, strahlten sie eine gewisse Freundlichkeit und Wärme aus. Aber Danne wusste auch, dass diese graublauen Augen nur ihn so anblickten und niemand anderen, denn Danne war Alec`s ältester und bester Freund. Nur er hatte das Privileg, von Alec so viel Offenheit zu erhalten. Normalerweise war Alec ein kalter und verschlossener Mensch und vertraute Niemandem.

 

„Du bist eben ein echter Auftragskiller.“, sagte Danne schliesslich. Alec lächelte und nahm die Hand von Danne`s Schulter. „Danke Danne. Ich hätte nicht gedacht, dass du mich gehen lassen würdest. Sonst bestehst du darauf, dass ich mich aus gefährlichen Situationen raushalte. Was ist los mit dir Danne?“ Danne antwortete erst nach einer Weile: „Ich habe gelernt, dass es nichts bringt dich aufhalten zu wollen. Du bist noch jedesmal trotzdem gegangen, obwohl ich es nicht wollte. Du lässt dir ja auch von niemandem etwas vorschreiben. Du hast deine Waffen zwar im Griff, aber ich weiss nie ob deine Gegner ihre Waffen nicht noch besser in den Händen halten. „Ach Danne, mir passiert schon nichts!“, sagte Alec erneut und gab ihm einen Klaps auf den Rücken. „Ich werde ohne einen Kratzer wieder kommen. Aber jetzt muss ich gehen. Ich muss noch einiges vorbereiten.“ Alec nahm den letzten Schluck Sake aus seinem Schälchen, stand auf und lief zur Tür. „Wir sehen uns Danne!“, sagte Alec, winkte und verschwand im grellen Sonnenlicht. „Pass auf dich auf!“, schrie Danne ihm noch hinterher und Alec hob die Hand, als Zeichen dass er ihn verstanden hatte.

„Nicht zu fassen. Läuft mir nichts dir nichts in feindliches Territorium, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, was ihn dort erwartet.“, flüsterte Danne vor sich hin, während er die beiden Schälchen abräumte und die Sakeflasche zu den anderen leeren Flaschen stellte.

 

Alec durchquerte die Entfernung zwischen ihm und seinem Auto. „Na Süsse? Hat ja nicht so lange gedauert.“ Er kramte die Schlüssel seiner Hosentasche und schloss auf und setzte sich auf den schwarzen ledernen Fahrersitz. Der Motor sprang an und Alec fuhr los, nachdem er den Radio laut aufgedreht hatte. „Wie soll ich die Sache angehen…“, murmelte Alec vor sich hin. „Ich könnte einfach meine Lieblingswaffen einpacken, mich einschleichen und Mizuka eine Kugel in den Kopf jagen, damit er nichts verplaudern kann…“ Alec hatte langsam gefallen an der Vorstellung bekommen und summte mit der Musik mit, während er durch die Gassen düste. Er hatte beschlossen, noch einen Abstecher zum Strand zu machen und dort die Meeresluft geniessen.

Alec lehnte sich zurück und als er um eine Kurve fuhr erblickte er in der Ferne das Meer. Nach einigen Minuten gelangte er zu einer Klippe, die ins Meer hinab zufallen schien. Der Chevrolet Impala wurde neben einem Ahornbaum geparkt und Alec trat auf den trockenen sandigen Boden. Der warme Wind blies um ihn herum und Alec’s Blick wanderte zum dunkelblauen Meer hinüber. Die Wellen klatschten gegen die Brandung und das Rauschen wurde lauter. Alec schlenderte näher an den Abhang heran und setzte sich unter einen Baum. Mit dem Rücken an den Ahorn lehnend überflog er die Weiten des Meeres. Die See hatte ihn schon immer fasziniert und langsam glitten seine Augen zum Strand hinüber, der sich um die 200 Meter weiter unten, links von ihm, erstreckte. Der Sand leuchtete und die Wellen brachen kurz bevor sie ihn erreichten. Das kühle Wasser schwabte dann über die Sandkörner und zog einige davon weiter ins Meer hinein. Der gelbe Sand war noch unberührt zu dieser Stunde. Alec genoss diesen Anblick. Hier war die Natur ihm so nahe und liess die Schrecken des Alltages hinter sich. Alec musste lachen, als ihm dieser Gedanke kam. „Sonst gebe ich mich auch immer so kühl. Da lässt mich doch nicht ein Wenig Meer und Sand so weich werden!“, sagte er.

Alec erhob sich und wollte sich schon zum Gehen wenden, als er eine Gestalt unten beim Strand in den Schatten der Bäume erspähte. Alec blieb stehen und beobachtete. Die Gestalt bewegte sich Richtung Meer und wurde nun durch die Sonnenstrahlen erhellt. Es war ein hübsches junges Fräulein. Alec schätzte sie etwa auf die neunzehn. Sie hatte ein im Wind flatterndes rotes T-Shirt an und unten das Höschen ihres Bikinis. In den Armen trug sie ein Badetuch bei dem Alec das Abbild darauf aber nicht erkennen konnte. Mit federnden Schritten lief das Mädchen durch den Sand. Ihre kurzen braunen Haare wurden nach hinten geweht und als sie die Stelle erreicht hatte, wo das Meerwasser über den Sand floss, hielt sie kurz ihren Fuss hinein, um zu erspüren wie warm das Wasser war. Kurze Zeit später, empfand das Fräulein die Temperatur wohl als angenehm, denn sie breitete ihr Badetuch aus und legte einen daneben liegenden Stein darauf, sodass das Tuch nicht davon flog. Sie streifte das rote T-Shirt über sich und ein schwarzes Bikinioberteil mit weissen Sternchen kam zum Vorschein.

Alec hatte schon viele Japanerinnen in der Stadt gesehen, aber noch nie eine hier an diesem Strand. Ausserdem fand er den Anblick einer kurzhaarigen Frau irritierend. Nach Alec’s Geschmack sollte eine junge Frau blonde lange Haare haben, durch die man mit den Fingern fahren konnte. Ansonsten war das Mädchen wunderschön. Ihr Körper war nach Alec`s Meinung toll, denn die Haut straffte sich über ihren dünnen Bauch und die langen Beine gefielen ihm. Das Fräulein war nicht gerade gross, aber dennoch grösser, als die üblichen Japanerinnen. Das Bikinioberteil war gut gefüllt und einfach gesagt, diese Frau gefiel Alec, nur die Haare störten ihn.

 

Während Alec diese Schönheit beobachtet hatte, hatte er sich wieder an den Baum gelehnt und das Mädchen stand nun bis zur Hüfte in den Wellen des Meeres. „Ich bin heute wohl nicht ganz dicht! Zuerst beruhige ich Danne, als ob ich schwul wäre, dann verlaufe ich mich an meinen Lieblingsort vom Strand, und jetzt beobachte ich ein vollbusiges Weib, wie es baden geht!“ Alec schüttelte den Kopf um wieder klar zu denken. „Ich spinne… Ich brauche kein Flittchen welches mir ständig am Arm hängt und nicht mich dauernd küssen will. Nein, sicher nicht. Es reicht, dass Danne sich manchmal aufführt, als sei ich sein Eigentum. Noch so jemanden kann ich nicht gebrauchen!“ Damit drehte er sich um und ging zu seinem Auto hinüber. Als er angeschnallt und bereit zum losfahren war, warf er nochmals einen Blick hinüber zu dem Mädchen, welches im Wasser schwamm und nun abtauchte.

Alec legte den Gang ein und raste davon. Er legte seinen Ellbogen auf die herunter gekurbelte Scheibe, während er gedankenverloren in der Gegend herum fuhr. Dies war eine seiner Angewohnheiten um Stress, Verwirrung und sonstige schlechte Laune abzubauen. Autofahren bereitete ihm Freude und so konnte er auch genügend Zeit mit seiner „Süssen“ verbringen. Den Wagen hatte Alec von Danne bekommen, als er volljährig wurde. Lange hatte er Danne bearbeitet, bis er endlich ausspuckte woher er den Wagen hatte. Ein Chevrolet Impala war in Japan ein seltenes Auto und immer noch benutzten viele Japaner das Fahrrad. Danne hatte ihn aus einem Land im Westen und nach einigen erneuten Versuchen von Seiten Alec’s, erzählte Danne von seinem Nebenjob.

 

„Die Bar ist der grösste Teil, bei dem ich mein Geld verdiene. Da ich mit Waffen noch lange nicht so geschickt bin wie du, und es auch nie sein werde, muss ich mir den Rest des benötigten Geldes anders anschaffen. Kurz gesagt ich bin ein Autoschieber. Hauptsächlich beziehe ich meine Autos aus Ländern im Westen und selten auch aus Amerika. Jeder Autoschmuggel nach Japan ist immer eine neue Herausforderung und bis jetzt hat es noch immer geklappt.“, hatte Danne erzählt und dabei gegrinst. Auch Alec musste jetzt bei der Erinnerung grinsen. Danne’s Augen hatten gefunkelt und gestrahlt. „Ja, Danne ist wahrhaftig ein Autoschieber und guter Barkeeper.“, sagte Alec vor sich hin. Der Wagen donnerte die Strasse entlang, bis er schliesslich auf einen Waldweg gelangte, bei dem Alec den Gang herunterschalten musste, weil das Auto sonst ins Schlittern geraten wäre. Auf dem Boden lagen viele abgefallene Blätter und Matsch so weit das Auge reichte, denn am Tag zuvor hatte es heftig geregnet.

Nur mit Mühe hievte sich der Wagen vorwärts und wäre ein paarmal fast stecken geblieben. Die Blätter der Bäume waren dunkelgrün und die Vögel pfiffen ausgelassen, auf den Ästen. Mit einem flüchtigen Blick in die Tiefen des Waldes, hatte er zwei Eichhörnchen entdeckt, die, als der Wagen näher kam, schnell in den Wipfeln der Bäume verschwanden. Alec lenkte seine Gedanken zurück zu seinem geplanten Eindringen in den Stützpunkt von White Deer. Doch da ihm die Schönheit vom Strand nicht aus dem Kopf gehen wollte, verwarf er den Gedanken an das Planen wieder und konzentrierte sich auf den Pfad vor sich. Der Wald lief langsam aus. Nur noch wenige Bäume wuchsen und das Gras wurde voller. Wenige Minuten später ratterte der schwarze Chevrolet Impala aus dem Schatten der Bäume und fand sich auf einer Lichtung wieder. Das Gras war so hoch, dass es bis zu den Fenstern reichte. Alec lenkte den Wagen auf einen schmalen Pfad, den ihn durch das Gewucher führen sollte. Der Geruch von Erde und Blütenblättern drang ihm in die Nase und er musste niessen. Die Nase reibend suchte er nach der Abzweigung, die ihn wieder auf die Hauptstrasse bringen sollte. „Ah, da ist sie ja.“, sagte Alec und drehte das Steuerrad nach links.

Ein Piepsen entfuhr dem Wagen und Alec betrachtete nachdenklich ein Symbol hinter dem Steuerrad. Es blinkte rot. „Nicht schon wieder… Ich hab doch erst gerade getankt! So lange bin ich doch noch gar nicht unterwegs.“, murrte Alec und klopfte mit den Fingern auf das Lenkrad. Der erdige Boden, wurde langsam von steinernem Weg abgelöst und Alec erblickte in der Ferne Häuser und einige vorbei fahrende Autos. „Na endlich!“ Der Wagen fuhr in eine Gasse und weiter auf die Hauptstrasse. Die Tankstelle war nicht weit entfernt und so lenkte Alec seinen Wagen nach rechts und gleich drauf ab nochmals nach rechts. Er parkte vor einem Automaten und stieg aus.

 

Der Wind wehte um ihn herum. Eine erfrischende Briese, die den Geruch von Abgas, Rauch und Benzin mit sich trug. Alec tastete seine Jacke nach seinem Portemonnaie ab, fand es schliesslich in der Innentasche, nahm mehrere Münzen heraus und musterte den Automaten nachdenklich. „Hmm… Sechzig Liter sollten reichen.“ Alec tippte mit einer lockeren geschmeidigen Handbewegung auf die Tasten und warf das Geld ein. Ein leises Klicken war zu hören. Alec griff nach dem Schlauch und führte ihn in den Kanal seines Autos ein. „So meine Liebe. Jetzt gibt es Happi-Happi.“, säuselte Alec und drückte auf den Kopf, sodass das Benzin in den Tank floss. Während der Tank sich füllte, beobachtete Alec seine Umgebung und die Leute, die beim Kiosk nebenan ein und aus gingen. Zwei Männer mit dunkel blauen Jacken fielen ihm ins Auge. Sie schritten zielstrebig durch die Schiebetür des Kiosks und wandten sich an den Besitzer des Kleinladens. Alec konnte nicht verstehen, nach was sie ihn fragten, aber der Verkäufer wirkte etwas besorgt und blickte sich oft um, bevor er im Hinterzimmer verschwand. Die beiden Männer stützten sich mit dem Ellbogen auf der Theke auf und plauderten miteinander, während der Wartezeit.

 

Der Tank war gefüllt und Alec zog den Schlauch heraus und henkte ihn wieder an die Halterung des Automaten. Er öffnete die Autotür und setzte sich auf den Fahrerstuhl, ohne die Männer im Kiosk aus den Augen zu lassen. Der Ladenbesitzer stürzte aus dem Hinterräumchen heraus und hielt einen Zettel in der Hand, welcher er zögerlich einem der Männer überreichte. Dieser untersuchte den fetzen Papier genau, nickte dann und die Männer verliessen das Geschäft wieder, ohne einen Einkauf zu machen. Alec drehte den Schlüssel und der Motor sprang an. Die Räder rollten langsam über den geteerten Boden und Alec warf einen raschen Blick in den Kiosk und sah den Verkäufer, wie der mit Schweissperlen auf der Stirn gegen die Wand gelehnt war und die Augen schloss. Offenbar war er erleichtert, die Sache hinter sich zu haben. Nun galt seine Aufmerksamkeit wieder den Männern mit den blauen Jacken, die sogleich in ihren dunkelroten Toyota stiegen und davon rasten. Auch Alec legte einen Gang zu und fuhr aus der Tankstelle heraus und gliederte sich in den Strassenverkehr ein. „Was das wohl für ein Zettel war? Diese Typen sahen mir ja auch nicht gerade nach normalen Bürgern aus. Naja mir soll es egal sein, ich betreibe ja auch meine schmutzigen Geschäfte.“, flüsterte Alec vor sich hin und musste grinsen. Es war dunkel geworden und Alec fand es an der Zeit, nach Hause zu gehen. Die Nachtclubs hatten bereits geöffnet und von überall her, hörte man gedämpfte Musik aus den Häusern kommen. Auch Alec schaltete sein Radio ein und vernahm sofort wieder die Melodie, die ihm schon die ganze Zeit nachgelaufen war. Er summte mit und regte sich gleichzeitig über seine fehlende Kühlheit auf und verstummte wieder.

 

Die Wolken zogen am Himmel vorbei, die vom Winde angetrieben wurden. Der Mond kam zum Vorschein und einige Sternen waren zusehen. Darunter auch der kleine Wagen. Alec verrenkte sich fast den Hals, als der durch die Frontscheibe nach oben sah. Die Sterne spielgelten sich in Alec’s graublauen Augen wieder und er blinzelte und wandte sich wieder der Strasse zu. Nun wirkten Alec’s Augen eher grau und kalt. Er war müde und obwohl er Danne zu liebe eigentlich noch einen Plan aushecken wollte, wie er in Dark Poker eindringen konnte, überkam ihn der Gedanke noch einen Trinken zu gehen und parkte somit auf einem abgelegenen Platz neben einer Bar. Alec drückte die Türen der Bar auf und trat in den stickigen Aufenthaltsraum. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihm auf, weil er nicht den Weg zu seiner Stammkneipe genommen hatte, sondern in eine solch verwahrloste Bar ging. Alec setzte sich auf einen der hohen Stühle, knallte einige Münzen auf den Tisch, pfiff einen der Barkeeper heran und bestellte einen feurigen Schnaps. Sake hatte er in letzter Zeit genug getrunken und er hatte Lust auf ein richtiges Männergetränk. Als Alec noch im Waisenhaus lebte, war er oft heimlich in eine Bar gegangen und hatte sich einen Schnaps bestellt. Nicht selten musste er danach würgen und keuchen, doch er liess es nie bleiben und bestellte immer wieder einen. Jetzt als er das Gläschen vor sich stehen hatte, lächelte er in sich hinein und leerte es in einem Zug. Der Alkohol brannte in seiner Kehle, aber es war eine Wohltat. Alec wischte sich mit dem Handrücken den Mund und verlangte nach einem weiteren Glas. Der Barkeeper lächelte verschmitzt und füllte das Glas randvoll. Diesmal nahm Alec nur einen kleinen Schluck und behielt ihn eine Weile im Mund um den Geschmack voll auszukosten.

 

Als er geschluckt hatte sagte er zu dem Barkeeper: „Dieser Schnaps ist echt gut… Woher habt ihr ihn?“, liess aber den Blick auf dem Schnapsglas verharren. Er schwenkte den Inhalt und sah zu, wie der Schnaps in der Mitte einen kleinen Strudel bildete. „Schön, dass ihnen der Schnaps schmeckt. Er ist aus Amerika importiert worden. Ein echter Birnenschnaps aus Wilmington, Ein Prachtstück…“, seufzte der Barkeeper, während er die Schnapsflasche betrachtete. Alec erstarrte plötzlich. „Wilmington…“, murmelte er. „Haben sie was gesagt?“, fragte der Barkeeper, während er die Flasche immer noch väterlich musterte. „Tut mir leid ich muss gehen! Ich bin in Eile.“, sagte Alec plötzlich und stand auf. „Werter Herr! Ich wollte sie nicht vertreiben! Um Buddhas Wille nein!“ „Kein Problem! Ich muss los. Auf Wiedersehen“ Alec lief fluchtartig zur Tür, riss sie auf und fand sich im beissenden Regen und Windsturm wieder. Während Alec sich in der Bar vertan hatte, hatte draussen das Wetter umgeschlagen. Alec stand eine Weile an die Wand gelehnt im strömenden Regen. Seine Haare waren bereits nass und die Tropfen fielen ihm von den Haarspitzen. Alec beruhigte sich langsam wieder und genoss das kühle Nass. „Ich bin völlig durch den Wind… Nur weil ich Wilmington gehört habe. Ist doch idiotisch… Scheiss Waisenhaus!“ Alec fluchte, gab sich einen Ruck und trottete genervt durch den Regen, auf sein Auto zu. Alec griff in seine Jackentasche und holte die Schlüssel heraus. Als er den Richtigen gefunden hatte und aufschloss, öffnete er die Wagentüre und setze sich hinein. Er schnallte sich an und schloss die Tür wieder. Alec liess den Autoschlüssel in die Zündung gleiten und legte den Kopf in den Nacken. „Beschissener Tag heute…“ Er blickte auf den eingebauten Radio und überlegte ob er ihn einschalten sollte. Musik half Alec oft, wieder auf den Erdboden zu kommen und keinen Amoklauf zu veranstalten. Nicht selten hatte Danne Mühe gehabt ihn davon abzuhalten. Doch meistens siegte Alec’s Vernunft und der Gedanke an das Aufsehen was er veranstalten würde und dass White Deer davon Wind bekommen könnte, wäre nicht gerade vorteilhaft.

 

Alec verwarf den Gedanken, das Radio einzustellen, wieder und fuhr los. Der Chevrolet Impala holperte die gepflasterte Strasse hinunter und Alec schaute düster durch die Windschutzscheibe. Die Scheinwerfer erhellten die Umgebung vor Alec’s Wagen. Plötzlich schreckte Alec auf, denn er hatte eine schwarze Gestalt vor ihm entdeckt. Er drückte mit aller Kraft auf die Bremsklötze und es warf ihn nach vorne. Der Gurt drückte ihn wieder zurück und der Karren rollte aus. Alec war wie vom Kopf gestossen. Heute erinnerte ihn einfach alles an seine Kindheit, denn dieses Erlebnis vor sechzehn Jahren war ihm bis heute geblieben. Beinahe hätte er einen Autounfall verursacht und jemanden überfahren. Alec hatte eigentlich keine Probleme mit dem töten, da er es als Beruf tat. Auftragskiller zu sein war nicht immer leicht, aber wenn man einen eisernen Willen und ein abgestumpftes Mitleidsgefühl besass, war es kein Problem. Die schwarze Gestalt war hingefallen, stand aber wieder auf als sie bemerkt hatte, dass das Auto zur Ruhe gekommen war. Sie trat einige Schritte vor und somit in den Lichtschein der Scheinwerfer des Autos. Es war Danne.

 

Danne klopfte sich den Schmutz von der Jacke, schaute nun durch das Beifahrerfenster zu Alec rüber und grinste. Alec blickte mit weit geöffneten Augen zurück und sein Mund stand leicht offen. „Das kann nicht sein...“, dachte Alec. „Was tut Danne um diese Zeit in einem abgelegenen Wald nahe der Stadt. Normalerweise hat Dark Poker um diese Uhrzeit doch Hochbetrieb und da würde der Chef dieses Schuppens niemals fehlen dürfen?“ Danne schaute leicht verwirrt und öffnete die Wagentüre. „Gut dass du vorbei kommst. Darf ich mitfahren?“ Alec rührte sich nicht, schloss aber seinen Mund. „Alles okay bei dir?“, fragte Danne mit leicht besorgter Stimme. Es dauerte noch einen Augenblick bis Alec wieder klar denken konnte, schüttelte den Kopf und antwortete: „Nein, es ist alles okay… Aber was machst du um diese Uhrzeit auf einem verlassenen Waldpfad?! Ich hätte dich beinahe überfahren und du grinst mich an! In Dark Poker brauchen sie dich bestimmt schon!“ „Alec beruhige dich! Ich habe Dark Poker für heute Abend geschlossen, also keinen Grund zur Panik.“ „Wie bitte? Du hast deine Kneipe heute nicht geöffnet? Und wie bitteschön soll ich so mein Geld verdienen, wenn du die Kunden nicht herein lässt und somit von ihren Aufträgen erfährst?!“ Alec wurde zunehmend wütend. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Danne atmete tief durch. „Hör zu, ich erkläre es dir. Den Kunden habe ich angegeben, dass ich mit einer starken Grippe im Hinterzimmer liege und keinen Radau ertrage. Also keinen Grund zur Panik und im Moment hast du sowieso alle Hände voll zu tun, um in den Stützpunkt zu gelangen. Stimmt`s?“ Alec schaute düster drein und hackte nach: „Und was treibst du um diese Uhrzeit hier?“ Danne wurde blass. „Ich… Ich habe für einen Weihnachtsbaum sorgen wollen.“ Alec zog die Augenbrauen hoch. „Im Oktober? Aha… Immer doch. Und ich bin Schneewittchen. Komm raus mit der Sprache! Mir kannst du es erzählen. Hast du wieder eine abgeschleppt? Ist die jetzt schwanger?“ Danne winkte ab und überlegte rasch. „Nein. Ich musste einfach bisschen raus und frische Luft schnappen. Die Sache mit White Deer wird immer schlimmer und ich mache mir Sorgen, dass du nicht heil zurück kommst.“ Alec schien verdutzt. „Du hättest mir alles erzählen können. Aber das ist zu viel! Ich bin kein kleiner Junge mehr, dem man das Essen noch in den Mund stopfen muss! Ausserdem bist du nicht mein Vater und ich kann gut auf mich selbst aufpassen!“ Alec kam langsam in Rage und steigerte sich in sein Gerede hinein und wurde immer lauter, bis er schliesslich schrie. Danne wartete ab bis Alec sich etwas beruhigt hatte und sagte: „Eben, ich hätte es dir nicht sagen sollen. Ich dachte mir dass du so reagierst. Aber es ist nun mal so, ich sorge mich um dich und das wirst du auch nicht ändern können. Schliesslich kenne ich dich so lange und habe dich zu dem gemacht was du jetzt bist: Ein Auftragskiller. Und zwar ein verdammt Guter würde ich sagen.“ Alec`s Gesichtszüge wurden weicher und er lächelte schliesslich. „Gut, aber zerbrich dir nicht den Schädel deswegen, dass will ich noch machen!“, sagte Alec und schlug Danne auf die Schulter und fuhr los. Danne lächelte mild und die beiden verstummten. Sie hatten den Wald nun hinter sich gelassen und Danne fragte zögernd nach einer Weile: „Hast du jetzt ein Plan wie du in White Deer`s Aussenposten gelangst ohne drauf zu gehen?“ Alec hielt den Wagen an und schaute Danne in die Augen. „Du musst mich nicht ständig kontrollieren. Ich schaffe das ganz gut alleine und auf meine Art.“ „Aber“, wollte Danne erwidern. „Nichts aber! Steig aus!“, sagte Alec. „Was?“ fragte Danne verdatter. „Steig aus dem Wagen aus. Hier ist ein Bahnhof, da kannst du gut mit dem Zug weiter fahren.“ Danne blickte ihn nur irritiert an, dann schaute er zum Bahnhof und stieg aus. Alec zog die Türe zu, schaute Danne nochmals in die Augen und fuhr weiter.

 

Danne seufzte und sah sich um. Der Bahnhof besass ein Gleis und ein Wartehäuschen, das dem zerfallenen Pferdestall eines Kollegen von ihm glich. Die Wände waren besprayt und die Scheiben waren eingeschlagen worden. Danne fröstelte es und machte seine Jacke zu. Er schritt auf das Wartehäuschen zu und begutachtete die Abfahrtstafel der Züge, blickte auf seine Uhr, dann wieder zurück auf die Tafel und fluchte. Der Zug fuhr gerade einmal am Tag und das um drei Uhr am Nachmittag und jetzt war ein Uhr in der Nacht. Danne fluchte weiter vor sich hin, während er es sich auf der Bank im Wartehäuschen bequem machte. Sein Handy konnte er momentan nicht benutzen, da dieses kein Akku mehr hatte. Kaum hatte Danne eine angenehme Position gefunden krachte das Bänkchen ein und Danne schrie vor Wut.

 

Währenddessen ratterte Alec`s Wagen den bepflasterten Weg entlang zu sich nach Hause. Er musste noch Waffen einpacken und seine treue Pistole neu laden und polieren. Das Licht des Mondes schien auf die Motorhaube seines Autos und Alec bemerkte einen winzigen Flecken auf dem Lack. „Hoppla! Ich muss dich wohl wiedermal gründlich waschen. Du siehst mir ja wieder aus meine Kleine.“ Alec tätschelte die Ablagefläche hinter dem Steuerrad und kurvte um ein Haus herum, hinein in eine Seitengasse. Die Gasse wirkte düster und verlassen. Die Hausmauern ragten in die Höhe und liessen kein Licht mehr gewähren. Kurz bevor eine neue Abzweigung kam, nahm Alec den Fuss vom Gaspedal und liess den Chevrolet Impala ausrollen. Bevor die Stossstange die Wand küsste zog Alec die Handbremse an und der Wagen stand still. „Perfekt eingeparkt.“, meinte Alec und konnte gerade noch die Autotür öffnen, welche die Sicht auf einen leeren Türrahmen in der Wand eines Hauses frei machte. Alec rutschte aus dem Auto, schloss sanft die Tür und schloss ab. „Nicht weglaufen meine Süsse und schön warten. Morgen komm ich wieder.“ Alec warf dem Auto einen letzten liebevollen Blick zu, bevor er in der Dunkelheit des Hauses verschwand. Alec lief einen Gang entlang und stieg eine Treppe empor, bis er an eine metallische Tür gelangte. Er kramte erneut den Schlüssel hervor und schloss auf. Hinter der Tür lag ein kurzer Korridor wo auf der linken Seite eine Garderobe und eine Ablage für Schuhe standen. Alec trat ein und verriegelte die Tür hinter sich wieder. Er streifte sich den schwarzen langen Mantel ab und hängte ihn an einen Haken, stellte seine Schuhe auf ihren Platz und durchquerte den Korridor. Ein gemütliches Wohnzimmer kam zum Vorschein. Das rote Sofa mit dem weiss-schwarz gestreiften Teppich am Boden, auf dem ein Glastisch mit marmornem Beinen stand und die hell beige Kommode an der Wand harmonierten miteinander. In der Ecke stand eine Topfpflanze mit grünen Blättern, welche wieder einmal etwas Wasser nötig hätte. Weisse Vorhänge rundeten das Erscheinungsbild ab. Alec hatte mit Bedacht darauf geachtet, dass die Wohnung keinen Balkon hatte, da dies eine weitere Möglichkeit für Einbrecher wäre ihr Unwesen in der Wohnung zu treiben. Anschliessend an das Wohnzimmer lagen das Bad, die Küche und das Schlafzimmer.

 

Alec schritt zum Badezimmer und schaute sich um. Das Bad bestand aus einer Toilette, einem Lavabo mit Spiegel und einer Dusche mit integrierter Badewanne. Alec betrachtete sich kurz im Spiegel und strich eine Strähne aus dem Gesicht. Er kniete nieder und machte sich an den Fliesen der Badewanne zu schaffen. Eine von ihnen löste sich welche die Sicht auf eine Unmenge von Pistolen, Gewehren, Messern, Munitionen, Seilen, Bomben, Feuerzeugen, und diversen anderen Utensilien frei machte. Alec zog ein „Mauser Kar 98K Spring“, ein Gewehr, heraus. „Nein… Zu unhandlich…“ Er lege es wieder hinein und zog ein Revolver „Ruger Alaskan 454“ raus und begutachtete ihn. „Genau solch einen brauche ich jetzt.“ Alec legte noch ein paar Bomben, ein Seil, eine Armbrust, eine Ersatzpistole, drei Messer, Munition und mehrere Wurfsterne neben sich auf den Boden. „Ich brauche einen besseren Gürtel…“, stelle Alec fest, als er versuchte das alles an seinem Gürtel mit den vielen Taschen und Schlaufen zu verstauen. Er griff ein letzes Mal in die Kammer und holte einen Gürtel mit noch mehr Fertigkeiten heraus und verschloss die Öffnung zur Kammer wieder mit der Fliese. Alec steckte die Pistole und den Revolver je an eine Seite des Gurtes, daneben ein Messer und die beiden anderen Messer je an ein Bein unter der Hose. Die Wurfsterne packte er jeweils in eine Tasche am Gürtel und hob das Seil über die Schulter und nahm die Armbrust in die Hand. Alec stapfte zurück ins Wohnzimmer, wo er den Gürtel, die Armbrust und das Seil nochmals ablegte.

 

Er schlenderte zur Küche und guckte, was der Kühlschrank zu bieten hatte. Gähnende leere… Alec seufzte, nahm die Butter heraus, öffnete eine Schublade, schnitt sich zwei Scheiben Brot ab, bestrich diese mit der gelblichen Masse und füllte ein Glas mit Hahnenwasser. Alec ass im Stehen und schaute währenddessen aus dem Fenster, hinauf zum sternenbesähten Himmel. Als er den letzen Krümel Brot in seinen Mund gestopft und das ganze mit Wasser hinunter gespült hatte lief Alec zurück ins Wohnzimmer und liess sich auf dem Sofa nieder, schaltete den Fernseher ein. Es lief ein Horrorfilm, jedenfalls schrie gerade eine braunhaarige Frau, während eine Etage darüber eine Prostituierte ihrem Auserwählten beglückte. Nur halbwegs interessiert fielen Alec`s Augen zu und er schlief nach wenigen Minuten ein. Er träumte, dass er auf der Flucht vor schwarzen Gestalten mit Laiserbrillen war und in seinem Chevrolet Impala sass. Die Laiser hatten sein geliebtes Auto durchlöchert und während Alec einen Augenblick nach hinten schaute und auf die Gestalten schoss, achtete er nicht auf die Strasse, fuhr über eine Klippe und der Wagen stürzte in die Tiefe. Er überschlug sich mehrere Male, aber bevor Alec und der Chevrolet Impala unten aufprallten, schreckte Alec aus dem Schlaf.

Schweissgebadet setzte er sich auf und schaute auf die Uhr am Fernseher. Es war halb drei Uhr. Alec schaltete mit der Fernbedienung den immer noch laufenden TV ab und spritzte sich im Bad Wasser ins Gesicht, um sich Durchblick zu verschaffen. Als er einigermassen wieder wach war schnallte sich Alec den Gürtel mit den Waffen um die Hüfte und die Armbrust auf den Rücken und legte sich das Seil über die Schultern. Nun war er bereit für die Erfüllung seines Auftrages im Aussenposten von White Deer und die Befragung von dem dort gefangenen Mizuka Hoshiro. Alec schritt zur Tür öffnete sie und verschloss sie gleich wieder hinter sich, lief hinunter zu seinem Wagen, warf das Seil auf den Beifahrersitz und fuhr los, hinaus aus der dunklen Gasse und auf direktem Weg zu White Deer.

 

Der Wagen holperte die steinige Strasse entlang und die Räder liessen den Matsch in alle Richtungen spritzen. Lange Zeit war nichts zu sehen, ausser Wiese auf der linken und ein Fluss auf der rechten Seite. Dieser schien leicht grünlich. „Muss wohl an den vielen Algen liegen und ich habe so oft darin gebadet…“, dachte Alec und schauderte. Da erinnerte er sich an Danne wie er immer sagte, wenn Alec sich über schmutziges Wasser ärgerte: „Denk an die armen Kinder in Afrika! Die haben noch dreckigeres Wasser als wir hier und sowieso sind es nur die Algen, die es grün scheine lassen. In Wahrheit ist es sauberer als manch ein Wasser. Immerhin kommt es direkt aus den Bergen.“ Alec rollte die Augen. Die Sichel des Mondes rutschte hinter der Wiese am Horizont hinunter und die Sonne machte sich bemerkbar. Ein leicht rotgelber Schein erhellte das Tal. Vor dem Chevrolet Impala kamen mehrere Häuser zum Vorschein, der Anfang der Stadt, inmitten sich der Stützpunkt von White Deer war. „Ich raffe es immer noch nicht, wieso diese hinterhältigen Deppen mitten in der Stadt weilen und nie von den Bullen gefilzt werden… Die Polizei muss schon hirnlos sein, wenn sie all den Seich von denen glauben und sie ohne Verdacht zusammenarbeiten.“, murmelte Alec und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht, welche kurz darauf wieder an der selben Stelle hinfiel. Alec erreichte die Stadt und sauste durch die ersten Gassen, weiter zum Kern der ganzen Häuser. Sein Puls war sichtlich erhöht, er konnte sich sein Grinsen nicht mehr verkneifen und seine Augen nahmen ein psychohaftes Starren an, als er an das Kommende dachte. Alec parkierte sein Auto einige Meter nahe einer Eiche neben dem Haupttor zu White Deer. Der Tag war noch jung und Alec packte das Seil, warf es sich über die Schulter und stieg aus dem Wagen. Die Strasse war menschenleer und alle Fenster der Häuser waren noch mit eisernen Fensterläden verschlossen. Anscheinend traute die Bevölkerung White Deer doch nicht ganz, da es sonst nicht nötig gewesen wäre die Fenster mit solch massiven Fensterläden zu verbarrikadieren. Alec blickte sich um und betrachtete White Deer`s Stützpunkt, der in die Höhe ragte. Das Dach war weinrot und die weisse Fassade schimmerte golden in der aufgehenden Sonne. Das weitgehende Areal war durch ein hohes Metallgitter begrenzt. Das Tor war nicht weit entfernt und mit einer silbernen Kette, mit mehreren Schlössern versperrt. Auf beiden Seiten des Tores befanden sich steinige Säulen und in einer von ihnen befand sich eine Gegensprechanlage mit Klingel. Alec reizte es einfach mal die Klingel zu drücken, irgendeinen Schrott in die Gegensprechanlage zu quatschen, gemütlich durch das Tor zu schlender und zu schauen was passieren würde. Seine Vernunft siegte allerdings und er schüttelte den Kopf. Eine Gestalt kam hinter den Mauern des Stützpunktes hervor und Alec`s Aufmerksamkeit wurde auf sie gelenkt. Das Wesen war mager, jedoch recht gross, mit schwarzbraunem Fell. Es war ein Dobermann und wo einer war, waren auch noch mehr. Alec fühlte sich leicht blöde bei dem Gedanken, dass er keinen Gedanken in die Bewachung ausserhalb des Stützpunktes verschwendet hatte, sondern sich immer nur auf das Innere fixiert hatte. Er blickte nach oben und musterte den etwa fünf Meter hohen Baum. Flink wie ein junger Affe schwang sich Alec an den Ästen durch die Luft, hinauf zur Krone der Eiche. Ohne Mühe hatte er die brüchigen Stellen umgangen und fand sich nun auf der Spitze des Laubbaumes wieder, jedoch genug von den Blättern geschützt, um nicht entdeckt zu werden. Von hier aus hatte Alec eine gute Übersicht auf das Gelände und erspähte neun Wachhunde. Bei früheren Aufträgen hatte Alec bereits mit diesen Viechern zu tun und ihm war aufgefallen, dass diese ausgebildeten Wachhunde sehr auf Blut fixiert waren. Er sah umher und entdeckte ein Krankenhaus auf der anderen Strassenseite. Der Killer stieg vom Baum hinunter und überquerte fix die Strasse und huschte um die Ecke. Hier befand sich die Ein- und Ausfahrt für die Notfallpatienten, Alec schlenderte diese hinunter und nahm gleich die erste Treppe, welche hinauf zur Klinik führte. Ein etwas älterer Herr hockte am Empfang und sprang sofort auf, als er Alec die Stufen empor steigen sah, in der Annahme, dass es sich um einen Notfall handelte. Mit einem Satz sprang Alec neben den Mann und hielt ihm ein Messer an die Kehle. „Wo geht es zur Blutspende?“, fauchte er leise. Der Empfänger antwortete schockiert: „Dass kann ich ihnen nicht sagen, tut mir leid.“ Alec erhöhte den Druck auf den Hals und seine Augen öffneten sich langsam weiter und er grinste breit. „Ach wirklich? Bist du dir sicher?“, säuselte Alec dem Mann ins Ohr. „Schon gut, schon gut!“, entgegnete der Herr panisch, „Gehen sie in das dritte Obergeschoss, dann immer rechtshalten, bis sie zur Wartezone 2 gelangen und dort gerade aus. Am Ende des Ganges steht ein Schild auf dem „Blutspende“ steht. Dort in der ersten Tür von links ist unser ganzes Lager. Bitte lassen sie mich gehen! Ich habe Frau und Kinder zu Hause!“ Alec grinste noch breiter. „Aber ich nehme an, dass dieser Raum nicht unverschlossen ist… Oder bin ich da im Unrecht?“ Der Mann schluckte und holte mit zitternden Fingern einen Schlüsselbund aus der Tasche und liess ihn in Alec`s offene Hand fallen. „Danke.“, säuselte Alec dem Empfänger ins Ohr und schnitt ihm die Kehle durch. Das Blut spritze auf den Boden und besudelte Alec`s Gesicht und Mantel. Ohne mit der Wimper zu zucken warf Alec den abgetrennten Kopf in den Mülleimer und schritt den besagten Weg entlang, bis er schliesslich vor der Tür zum Blutlager stand. Aus weiter Ferne hörte Alec näherkommende Schritte hörte und eine Tür, welche langsam aufging. Alec huschte hinter ein Aquarium, welches eigentlich eine angenehme Stimmung für die wartenden Patienten bringen sollte und verharrte so. Eine junge blonde Krankenschwester erledigte gerade die Nachtkontrolle. Sie trug eine weisse Bluse und einen kurzen türkisen Rock mit ebenfalls weissen Stumpfhosen, dazu türkise Ballerinas. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und endete in ihrem Nacken. In ihren Händen trug sie ein Klemmbrett, auf welchem sich Unterlagen zu den verschiedenen Patienten befanden. Sie schritt durch die Wartezone und hielt vor dem Aquarium an und holte eine Dose Fischfutter aus der hellgrünen Kommode unten dran. Die Krankenschwester öffnete den schwer aussehenden Deckel des Aquariums welches eine Menge voller farbenprächtigen Fischen enthielt und schüttete Futter in das Wasser. Sie beobachtete eine Weile die Fische, wie diese ihren After-Midnight-Snack verschlangen. Ihr Blick schweifte hin und her und verharrte eine Weile auf der anderen Seite des Aquariums, direkt auf Alec`s Gesicht. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff dass dies kein Bild oder ein Fisch, sondern ein düsterer blutverschmierter Mann war, der sie da anstarrte und hämisch grinste. Ihr Gesicht verlor jede Spur von Farbe und sie wich an die Wand zurück. Alec, der es nun als nutzlos empfand weiterhin hinter dem Aquarium zu kauern, erhob sich und schritt auf die Dame zu und sprach: „Keine Angst, ich tu dir nichts, solange du nicht schreist…“ Die Krankenschwester schrie wie am Spiess und wollte davon rennen, doch Alec warf ihr sein Messer in die Wade und sie stürzte zu Boden. „Bitte… Bitte… Lass mich leben! Ich bin noch so jung!“, flehte sie und Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Warmes Blut ergoss sich auf die weissen Fliesen und breitete sich aus. Die junge Frau hielt sich das Bein und rutschte rückwärts davon, weg von dem Killer und weg von dem vielen Blut. „Ach… Das tut mir aber leid. Das schöne Blut. Ist ja fast schade darum, aber ich hab dich gewarnt: Leben oder schreien und du hast dich für schreien entschieden“, sagte Alec freundlich. „Nein! Nicht! AAAAAAAAAAAAAAAAAH!“, kreischte die Krankenschwester, als er einen Schritt vortrat und ihr das Messer aus der Wade zog und es stattdessen durch ihren Kehlkopf bohrte. Die Frau zuckte noch kurz, dann erschlaffte ihr Körper. Alec riss das blutverschmierte Messer aus dem Leichnam, putze es am nicht mehr ganz so weissen Outfit der Krankenschwester ab und steckte es zurück an seinen Gürtel. Er zog die Frau an den Haaren etwas nach oben und begutachtete den durchgehenden Stich, aus dem weinrote Flüssigkeit quoll und legte den Kopf schief. „Echt schade um die wertvolle Substanz…“ Alec bückte sich zu der Frau hinunter und leckte zärtlich an der Wunde. Das Blut hatte einen süssen, jedoch leicht eisenhaltigen Geschmack. Alec`s Augen leuchteten während er mit der Zunge den Lebenssaft der jungen Dame aufleckte. Es benetze seine Lippen und tropfte ihm vom Kinn auf seine, ohnehin schon blutigen Kleidern. Nach wenigen Minuten hatte er allerdings genug und verlangte jetzt nach einem ordentlichen Glas Milch. „Milch ist einfach doch besser…Aber sie hat mir die Mühe erspart in den Kühlschrank zu müssen.“, murmelte er und erhob sich. Immer noch leise vor sich hin murmelnd, ob er sich vielleicht nicht mal eine Herde Kühe zulegen und eine eigene Milchproduktion starten sollte, liess er die Frau los, um sie gleich darauf am Fussknöchel zu packen.

„Ich möchte eine weiss-schwarz-gescheckte, und eine ganz schwarze Kuh!“, schwärmte Alec vor sich hin. Die leblose Krankenschwester wurde von ihm durch die Gänge geschleift und ihr Kopf und die Arme schlugen regelmässig gegen die Wände. Alec hatte einen Finger auf seine Lippen gelegt und seine Vorstellungen von seiner Milchproduktion wurden immer klarer. „Ich kaufe mir ein kleines Haus am Waldrand und rund herum gibt es Weideland. Die riesige Kuhherde kann am Morgen nach dem Melken hinaus, und kommt am Abend für die zweite Melkstunde wieder in den Stall… Danne kann mir beim anschliessen der Melkmaschine dann helfen. Ja genau, so mache ich es!“ Er stiess beide Arme in die Luft und das andere Bein der Krankenschwester, welches Alec nicht festhielt krachte gegen den Türrahmen und der Auftragskiller konnte hören wie die Knochen splitterten. „Huuups! Das war wohl zu viel des Guten …“, meinte Alec mit einem heiteren Lächeln auf dem Gesicht. Er schritt nun zügiger voran und rannte schliesslich fast die Treppe hinunter und der Kopf der jungen Frau donnerte die Stufen hinunter und hinterliess eine Blutspur auf den weissen Fliessen. Alec durchschritt die Notfallstation und warf noch kurz einen Blick auf den kopflosen Mann am Empfang und grüsste ihn kurz mit der Hand, während er weiterschritt.

 

Eine kühle Briese durchzog seine Haare und Alec atmete tief ein. Er überquerte die Strasse und blieb neben dem Baum, auf dem er vorhin gesessen hatte stehen, warf die tote Frau über das Metallgitter. „Die hat aber auch gar kein Fett auf den Rippen…“, sagte Alec nebenbei und schwang sich anschliessend auf den Baum, holte sein Seil und die Armbrust heraus und blickte kurz auf die Krankenschwester hinunter und anschliessend auf die Hunde, welche in hohem Tempo näherkamen. Er befestigte das Seil an dem Haken, welcher auf die Armbrust gelegt war, zielte auf ein Fenster im zweiten Stockwerk vom Stützpunkt und drückte ab. Der Haken schoss durch die Luft und durchbrach die Fensterscheibe. Alec zog etwas an dem Seil, wodurch sich der Haken im Fensterrahmen verankerte, fädelte einen Griff auf das Seil auf und knotete das andere Ende des Seiles am Baumstamm fest. Er nahm den Griff fest in beide Hände und mit einem erneuten Blick auf die Krankenschwester und die Hunde, welche sich nun ebenfalls an ihrem Fleisch und Blut ergötzten, sauste Alec dem Seil entlang über das Areal auf den Stützpunkt von White Deer zu.

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Alec flog durch die Luft und das Glas zerbarste unter seinen Stiefeln, als er das eine Ende des Seils erreicht hatte. Er liess den Griff los und klopfte sich die Scherben seinem Mantel. Alec sah sich um. Der Raum war dunkel und nur der Mondschein erhellte ihn ein wenig, an den Wänden hingen Perserteppiche und diverse Jagdtrophäen. Darunter war auch der Kopf eines Yaks zu sehen. „Diese Mistkerle! Yaks geben die beste Milch auf Erden! Man erschiesst keine solch wundervollen Tiere!“ Kochend vor Wut stampfte Alec durch das Zimmer, öffnete die Tür, trat auf den Flur und schongleich sah er sich zwei Wachmeistern von White Deer gegenüber, welche offenbar den Lärm der brechenden Fensterscheibe gehört hatten. Erneut zog Alec sein Messer und bewusst nicht seine Pistole, um keinen unnötigen Lärm zu verursachen und schlitzte beiden im selben Zug den Bauch auf. Ein leises Gurgeln war zu hören, bevor die Wächter gleichzeitig zu Boden stürzten und dort reglos liegenblieben. „Was ist denn das? Die waren ja höchstens zweite Klasse! Hat White Deer nicht mehr zu bieten als solch zwei nichtsnutzige Sprösslinge zu beauftragen die Korridore zu bewachen? Lächerlich…“ Feixend rannte Alec den Flur entlang und nahm eine Treppe in das obere Stockwerk. Auf halbem Weg wurde er durch fünf, in rotschwarze Uniformen gekleidete, Männern aufgehalten. „Na hoffentlich habt ihr etwas mehr auf dem Kasten als die vor euch!“, schrie der Mann mit dem schwarzen Mantel und schnappte sich mit der einen Hand eine Pistole und mit der anderen seinen Revolver und feuerte je einen Schuss ab. Die Wachmänner sprangen zur Seite, holten ebenfalls ihre Waffen heraus und einer von ihnen schleuderte einen Wurfstern nach Alec, dem er geschickt auswich. Alec feuerte erneut acht nacheinander folgende Bleikugeln ab, welche die Bahn zu ihren Zielen fanden. Drei der fünf Uniformierten brachen zusammen während die anderen Beiden erschrocken ihnen dabei zusahen. Alec griff in eine Tasche an seinem Gürtel, packte eine Bombe und warf diese direkt in das Gesicht des grösseren Wachmanns und trat rasch einige Schritte zurück. Die Bombe explodierte, zerfetze das Gesicht und riss gleichzeitig den zweiten Mann in den Tod. Staub rieselte von der Decke und Alec genoss die Nachwirkungen der Bombe und blieb schliesslich in der Stille stehen. „Hach… Ich konnte mich einfach nicht zurück halten. Jetzt habe ich aber einen schönen Lärm veranstaltet… Ich bin doch ein Volltrottel!“, belächelte er sich selbst. Er hob den Kopf und bahnte sich einen Weg durch die Staubwade vor ihm, schritt um eine Ecke, schaute in einige Räume, zerschmetterte mit der Faust einige Überwachungskameras und fand sich schliesslich vor einer dicken Marmortüre wieder. Sie machte einen stabilen Eindruck und war durch Acht Schlösser und Stangen verschlossen. „Hier muss wohl mein toller Kollege gefangen sein…“ Alec klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Wand und die Stangen und meinte:„Scheinen sehr stabil zu sein. Schade um den teuren Marmor aber Pech.“

Er packte zwei weitere Bomben aus, legte eine auf den Türgriff, die andere auf den Boden, gleich neben der untersten Stange, eilte zum anderen Ende des Korridors und zielte mit seinem Revolver auf die untere Bombe und betätigte den Abzug. Die untere Bombe ging in die Luft und durch die Explosion wurde auch der zweite Sprengkörper aktiviert und es erklangen laute Knalle und unter roten, gelben und blauen Funken wurde die Türe zertrümmert. Alec kratzte sich am Kopf und schaute mit schiefem Blick dem kleinen Feuerwerk zu, welches sich vor seinen Augen veranstaltete. Danne hatte seine Finger wieder Mal nicht von Alec`s Sachen lassen können und hatte an der Bombe herumgebastelt. Als sich der Rauch etwas gelegt hatte, stieg Alec durch das Loch im Marmor und fand sich in einem kleinen Raum mit einem breiten Fenster wieder. Der Mondschein erhellte auch dieses Zimmer und offenbarte die Sicht auf einen breiten Stuhl. Ein ausgemergelter Mann mit langen dunkelbraunen Haaren und schiefen gelben Zähnen war auf ihn gefesselt. Die Bartstoppeln des Mannes zeugten von seiner langen Gefangenschaft bei White Deer. Seine Arme und Beine waren durch Metallschienen an den Sessel geschnallt und ein eisernes Stück, welches einer Schüssel ähnelte lag über seinem Kopf und verdeckte das halbe Gesicht. Sein Körper wurde mit einem Sicherheitsbügel, wie man ihn von den Bahnen auf dem Rummel her kannte an den Stuhl gepresst.

Alec ging auf den Gefesselten zu und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. „Du niederträchtiges Scheusal! Was hast du diesem Abschaum erzählt, hä! Haben sie dich weich geschlagen? Konntest du dieses Mal nicht zu deiner Mami flüchten und darauf hoffen, dass deine stinkenden Untertanen dir zur Hilfe eilen? Nein… Aber ich bin gekommen!“, fauchte Alec. „Ach… Diese Stimme kenne ich doch! Das ist dieser Alec Shay, von dem so viele reden. Soll ein blutrünstiger Psychopath sein, der seine Arbeit als Auftragskiller allerdings nicht übel erledigt. Hab ich recht?“, kicherte Mizuka Hoshiro und entblösste seine Reihe gelber Zähne. Alec nickte, unter dem Wissen, dass der geknebelte Mann ihn nicht sehen konnte und hielt ihm seinen Revolver unter das Kinn. „Was hast du ihnen alles erzählt? Na los, sag schon!“, zischte Alec und der Gefangene erwiderte: „Ich hab nur so viel erzählt wie ich musste und für richtig hielt.“ „Geht’s auch genauer?! Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit!“ Hoshiro kicherte erneut und lachte schliesslich laut los. „Dummer Junge! Ich kann ihnen alles erzählen wenn ich möchte. Ich brauche nur diesen Knopf hier zu drücken und schon stehen sie vor der Tür. Im Grunde ist der Knopf dafür gedacht, dass ich sie rufen kann, falls ich doch noch etwas mitteilen möchte, aber man kann ihn auch missbrauchen… Sie würden mich freilassen, da bin ich mir sicher, wenn ich ihnen dich statt mich anbiete. Wenn ich kooperiere bin ich da fein raus. Hihihi!“ Alec erblasste und blickte auf den roten Knopf unter Hoshino`s Finger, welche diesen liebevoll streichelten. „Das wagst du nicht! Du bist zwar niederträchtig, aber ein solches Weichei und Kollegenschwein bist nicht mal du. Ich werde dich töten falls du es tust, also sag mir jetzt alles was du erzählt hast und du bleibst am Leben!“, drohte Alec. „Tut mir leid mein Lieber, aber du hast wohl falsch gelegen.“ Mit diesen Worten drückte der Gefangene den Knopf und eine schallende Sirene ertönte. Aus allen Löchern stoben Mitarbeiter von White Deer und schon war Alec von ihnen umzingelt.

„Falsch gehandelt!“, zischte Alec, betätigte den Abzug, die Kugel schoss in den Kopf von Mizuka Hoshino und zertrümmerte sein Gehirn. Pfeilschnell hatte Alec ein paar Wurfsterne in seiner Tasche gepackt und gegen seine Gegner geworfen. Die erste Reihe der Wachmänner stürzte zu Boden, doch ihr Platz wurde bereits wieder von neuen Männern eingenommen. Drei Messer flogen haarschaft an seinem Kopf vorbei und eines von ihnen hinterliess einen tiefen Schnitt in Alec`s Wange. Mit seinem Revolver und seiner Pistole brachte er weitere Mitglieder zum Fall, handelte sich dafür einen Streifschuss am linken Arm und einige Faustschläge im Bauch ein. Er steckte seine Waffen in die Schlaufe am Gürtel zurück, backte einer der umliegenden Männer und schiss ihn durch die Scheibe aus dem Fenster. Mit gezielten Tritten und Schlägen prügelte er die Wachmänner in seiner Umgebung K.O. und befreite sich mit seinem Messer von Zweien, die ihn von hinten gepackt hatten. In einem kurzen Augenblick des Verschnaufens hörte man ein „Klock“ dann ein laufendes Ticken. Alec schaute sich um und entdeckte einen Meter von ihm entfernt eine Zeitbombe. „Verdammt nochmal! Wollt ihr uns alle umbringen?!“ Er rannte auf sie zu und kickte sie mit aller Kraft aus dem Fenster. Die tickende Bombe schoss durch das Loch in der Scheibe, durch die kurz zuvor der Mann geflogen war, flog über das Gelände und schlug wenige Meter neben einer Eiche auf dem Boden auf. Alec`s Augen weiteten sich. Was er da sah, liess sein Herz erstarren und Furcht kam in ihm auf.

Die Eiche, an dem die Bombe gefallen war, war keine andere als die Eiche, neben der er zuvor seinen Chevrolet Impala abgestellt hatte. „NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!“, schrie Alec und krallte sich mit den Fingernägeln in die Wange. Eine laute Explosion hallte durch die Strassen und der halbe Baumstamm war weggesprengt und sein geliebtes Auto war auf der einen Seite angekohlt. „Puh…Es war keine Bombe mit sehr hohem Sprengstoffgehalt…“ Alec rieb sich den Schweiss von der Stirn und plötzlich stockte ihm der Atem. Die Eiche begann zu kippen. Zuerst ganz sachte, dann immer schneller und krachte schliesslich auf den Kofferraum des schwarzen Autos. „Ääääääääähhhhhhhhhhhhhhh!“, kreischte Alec wie ein Mädchen! „Süsse! Mein Schatz! Was haben sie dir angetan!“

Langsam, ganz langsam drehte sich Alec wieder seinen Gegnern zu. Seine Augen funkelten und traten hervor. Die Kiefer waren hart aufeinander gepresst und seine Zähne kamen zum Vorschein. Aus seiner Mimik liess sich schliessen, dass er jeden Moment Feuer speien würde. Er schrie, er fauchte und brüllte. In einer unbeschreiblichen Wut metzelte er seine Angreifer nieder und in seinem Wahn kannte er keine Gnade. Das Blut spritze in alle Richtungen und besudelte die Wände um ihn herum. Sein schwarzer Mantel flatterte in der Luft und das letze was die Opfer sahen, war ein, von Schmerzen und Hass erfülltes Gesicht, bevor sie zum letzen Mal ihre Augen schlossen. Die Mitglieder von White Deer wehrten sich mit Leibeskräften, feuerten wild um sich, trafen zum Teil auch ihre eigenen Kollegen und flohen schliesslich aus dem Raum und verschwanden in der Dunkelheit.

Langsam legte sich Stille um Alec. Er stand ruhig da, machte keinen Wank und das einzige was sich bewegte war das Blut welches von seinen Kleidern und Waffen tropfte und aus den Körpern der umliegenden Leichen floss. Auf ihren Gesichtern war das blanke Entsetzen abgebildet und erst nach einigen Minuten schleppte sich Alec aus dem Raum. Es war weit und breit niemand zu sehen, es hatten alle die Flucht ergriffen. Langsam lief er aus dem Gebäude hinaus und durchquerte das Gelände. Wenn ihm einer der Dobermänner zu nahe kam, wurde auch dieser kaltblütig mit einem Schuss seines Revolvers durch das Herz getötet. Das Haupttor war durch die Sprengkraft der Bombe ebenfalls leicht verbogen und so konnte sich Alec durch die Gitterstäbe quetschen und ging ganz langsam auf sein beschädigtes Auto, zu und strich vorsichtig über den zerkratzten Lack. Mit enormem Kraftaufwand schob er den Baumstamm ab dem Kofferraum, welcher mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug, und betrachtete sein mitgenommenes, sonst immer schön gepflegtes Auto. Alec sank auf die Knie. Immer noch eine Hand an dem Auto haltend, kugelte ihm eine einsame Träne über die Wange, hinab zu seinem Kinn und tropfte schliesslich auf den Boden. Alec schrie aus Leibeskräften und verfluchte die Götter, wenn es denn solche gab, kickte mit aller Kraft mit dem Fuss in den Baumstamm, was einen stechenden Schmerz in seinem grossen Zehen verursachte und begann erneut zu fluchen. Alec kochte vor Wut, riss die Autotür auf, setzte sich auf den Fahrersitz und schloss die Tür wieder, allerdings mit einer Sanftheit wie ein Anderer sein neugeborenes Kind streicheln würde. Er steckte den Schlüssel rein, drehte ihn und löste die Handbremse. Dem Chevrolet Impala entfuhr ein lautes Stöhnen, bevor der Motor ansprang und Alec trat aufs Gaspedal. Die Reifen begannen sich zu drehen und der schwarze Schrotthaufen setze sich in Bewegung, auf dem Weg zu Danne`s Bar; Dark Poker.

 

Die Reifen rollten über den Asphalt, die Häuser schnellten an dem Auto vorbei und Alec hatte seinen Blick in die Ferne gerichtet. In dem Stadtviertel brannten keine Lichter mehr und alle Fensterläden waren geschlossen. Ein streunender Hund rannte schnell hinder dem Auto vorbei und bald schon hatte Alec und sein Chevrolet Impala die Stadt und somit den gestürzten Stützpunkt von White Deer hinter sich gelassen.

Der Boden bestand aus Erde und Schlamm, welcher zur Seite spritze als der Wagen darüber fuhr. Alec kümmerte es nicht mehr gross, ob sein Wagen jetzt auch noch schmutzig war. Er wollte etwas überlegen, konnte seine Gedanken aber nicht sammeln und alles was sich in seinem Kopf abspielte war die Szene, als er die Bombe aus dem Fenster warf, der Baum kippte und sein demoliertes Fahrzeug. Die Zeit flog dahin, die Sonne bahnte sich bereits einen Weg über den Horizont und Alec konnte endlich wieder klarer Denken und sah sich um. Er kannte dieses Gebiet und entdeckte neben sich Zuggleise. Der Chevrolet wurde langsamer, als er das Bahnhofsgebäude erreichte und blieb schliesslich vor einer Bank, auf der eine zerknautschte Person lag stehen. Die Person bewegte sich ein bisschen, rieb sich die Augen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Schwankend erhob sich der blondhaarige Mann und klopfte sich den Staub von der Jacke. Danne sah sich um und richtete seine Augen zuerst auf den schwarzen Schrotthaufen namens Chevrolet Impala und anschliessend auf seinen Fahrer und Besitzer, Alec. Mit einem Mal war Danne völlig wach und sein Gesicht lief rot an. „Du verdammter Dreckssack! Was fällt dir eigentlich ein mich an einem Bahnhof abzusetzen an dem nur einmal am Tag ein Zug fährt! Du hast sie wohl nicht mehr alle!“ Alec zog eine Augenbraue hoch, öffnete die Tür zum Beifahrersitz, nickte von Danne zum Sitz und sagte gelassen: „Pech. Ich hatte es eilig und du bist selbst schuld, wenn du dich um solch eine Uhrzeit im Wald herumtreibst mit einem dahergelaufenen Flittchen!“ „Was soll das heissen?!“, brause Danne auf. Alec legte eine Hand auf Danne`s Schultern und fragte energisch: „Ist jetzt auch egal. Kannst du das wieder herstellen?“ Er deutete auf den Kofferraum des Chevrolet Impala. Danne`s Augen weiteten sich. „Meine Fresse, was hast du mit deinem Auto angestellt! Ich hab ihn dir geschenkt und das ist dein Dank dafür?!“ Alec wurde zornig: „Verdammt nochmal, ich war bei White Deer und ein Baumstamm ist auf mein Schatz gefallen! Du weißt gar nicht was ich mir seit do für Sorgen mache! Aber du kannst es doch reparieren, nicht?“ Danne`s Augenpartie zuckte. Es war ihm anzusehen, dass er sich ungeheuerlich konzentrieren musste um nicht zu schreien und nickte dafür nur. „Poah! Ich liebe dich! Du bist mein Held! Hörst du mein Schnittchen? Du wirst wieder gesund!“, rief Alec voller Freude und tätschelte das Ablagebrett vor dem Steuerrad. Danne rollte die Augen, während Alec den Motor anliess und davonbrauste.

Während der Fahrt erzählte Alec seinem Freund in allen Einzelheiten von der vergangenen Nacht bei White Deer. Auch von seinem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus, der Schiesserei und den Hunden. Danne`s Kommentare waren kurz aber zeigten Interesse. „Aber hör mal Alec…“ „Was ist?“, fragte Alec etwas genervt, weil Danne ihn bei seiner Schilderung unterbrochen hatte. „Wieso hast du eigentlich nicht gleich rumgeballert, sonder zuerst das Messer gezückt. Alec schaute ihn verdutzt an und antwortete: „Ist das nicht offensichtlich? Ich wollte möglichst keinen Lärm machen, sodass ich unbeschadet davon komme! Kurz dem Verräter den Hals durchschneiden und weg wäre ich wieder gewesen.“ „Naja, dein Plan ist wohl ziemlich in die Hosen gegangen. Du hast eine unschuldige Frau ermordet, in der Gegend herumgeballert und dein Auto zerstört!“ Alec schnaubte bei der Erwähnung seines Wagens und beendete somit die Konversation. Den Rest der Fahrt legten sie stumm zurück und Danne liess nach einer Weile des Schweigens Musik von Bob Marley laufen. Alec schnaubte erneut, tolerierte aber den fürchterlichen Musikgeschmack Danne`s.

 

Der Chevrolet Impala 67 fuhr auf dem Kiesplatz vor Dark Poker vor und Alec parkierte ihn am Rande eines Blechhaufens. Danne stieg aus, und Alec folgte ihm in die Bar. Der Blondhaarige stand hinter die Bar und goss sich ein Glas Vodka ein. „Und was ist mit meiner Karre?“, fragte Alec. „Die repariere ich morgen, wenn ich Zeit habe…“, antwortete Danne und leerte das Glas in einem Zug. Alec drückte Danne die Vodkaflasche an die Brust und zischte: „Sofort Danne! Du reparierst mein Schmuckstück sofort!“ Danne`s Blick verfinsterte sich, drehte auf dem Absatz um, packte sich die Werkzeugkiste aus einem Schrank nebenan und verschwand im Licht der aufgehenden Sonne. „Ich genehmige mir etwas von deinem Alkohol. In Ordnung?“, rief Alec ihm nach, doch er bekam keine Antwort mehr und zuckte mit den Schulter. „Das fasse ich mal als „Ja“ auf.“ Er hörte wie Danne draussen fluchte und in der Werkzeugkiste wühlte. Alec griff nach einer Flasche Sherry, steckte sie sich in den Mund, nahm auf einem Barhocker platz und stillte erstmals seinen Durst mit der ersten Flasche.

Danne fluchte erneut, als er sich an die Arbeit machte. Er schweisste die rissige Röhre des Auspuffs wieder zusammen, stellte wieder einen ebenen Kofferraum her, flickte die Löcher im Polster, erneuerte das Schloss zum Kofferraum, setze eine neue Heckscheibe ein, erneuerte den Lack und brachte die Lichter wieder zum laufen. Die Sonne kletterte währenddessen weiter in die Höhe und als das gleissende Sonnenlicht auf Danne`s Rücken brannte und ihm der Schweiss von der Stirn tropfte war er fertig. Der Chevrolet Impala glänzte wie neu und Danne schleppte sich zurück in die Bar um Alec die freudige Nachricht zu überbringen. Er öffnete die Tür zu Dark Poker, trat ein und erstarrte. Der Boden war übersät mit Flaschen aller erdenklichen Sorten Alkohol. Nur waren alle leer. Ein wankender und leise vor sich hin summender Alec sass auf dem Barhöcker und exte gerade eine weitere Schnapsflasche. Er hatte rote Wangen und seinem Blick nach zu urteilen hatte er mehr als einen über den Durst getrunken. „Was zur Hölle…“, Danne traute seinen Augen nicht. „Du mieser Alkmörder! Du hast meinen ganzen Vorrat leer gesoffen! Was soll ich jetzt den Gästen anbieten!“ Danne schrie die ganze Bude nieder, rastete völlig aus und depperte Alec eine mit einer leeren Flasche vom Boden über den Kopf. Das Glas zerberstete und Alec kippte vom Barhöcker und schlug hart auf dem Steinboden auf. Danne atmete schwer, kochend vor Wut und pfefferte weitere leere Flaschen durch die Gegend und exte aus Frust gleich auch noch eine Flasche Sherry.

 

 

 

 

-Wumm-

 

 

 

 

 

„Du mieses Drecksstück! Was habe ich dir gesagt? Du hast in der Küche nichts verloren, ausser wenn du den Abwasch machen musst!“ Eine pummelige Frau, mit braunen lockigen Haaren, schrie gerade durch das ganze Waisenhaus und schlug wie eine Furie auf einen kleinen schwarzhaarigen Jungen ein. Ihr Gesicht war knallrot angelaufen und die Kochkelle, war bereits mit Blut bespritzt. „Du widerst mich an! Schon nur wenn ich dein Gesicht sehe! Verschwinde aus meinem Blickfeld oder du wirst den Tag bereuen, an dem du noch einmal im Vorratsschrank wühltest! Die nächsten zwei Tage gibt es kein Essen für dich! Wenn du willst kannst du die Ratten unter deiner Matratze anbeissen und sonst verhungere doch, du elendiger Wicht…“, schrie die Frau namens Mrs. Methhock. Der kleine Junge hatte die Hände über den Kopf geschlungen und wimmerte leise. Nach einem erneuten Tritt in den Unterlaib des Knaben watschelte die Frau von dannen. Alec hustete und spuckte. Aus seiner Nase tropfte warme rote Flüssigkeit, seine Lippen waren aufgeplatzt und sein ganzer Körper schmerzte von der erneuten Tracht Prügel. Die blauen und violetten-grünen Flecken auf seiner Haut von vergangener Woche waren noch nicht verheilt, als heute bereits die neuen kamen. Der gepeinigte Bursche setzte sich auf und rieb sich den Kopf. „Verdammtes Miststück…“, fluchte er und stand auf. Seine Knie waren noch etwas wackelig und so torkelte er wie ein Betrunkener durch die Küche zur Türe, nicht ohne noch einen Laib Brot unter sein zerfetztes Shirt zu stecken. Da sein Körper so abgemagert war, wurde das Gebäck nicht entdeckt und Alec konnte es ungehindert in seine Kammer schmuggeln. Er setze sich auf sein Bett und riss mit den Zähnen ein Stück Brot ab und verschlang es gierig. Die letzen Tage hatte er sich nur von einem Teller Suppe mit Klössen ernährt, immer noch die Strafe von den letzen Wochen. Der Junge hatte viele Regeln gebrochen und gestern beim Abwaschen wieder ausversehen fünf Teller fallen gelassen. Dies hatte ihm eine weitere Ohrfeige kassieren lassen und ein zusätzlicher Tag mit nur einem Teller Suppe und Klössen. Alec war ein Rebell, wenn es um Dinge ging die ihm nicht passten. Seit seiner „Einlieferung in die Hölle“ vor fünf Jahren, wie er den Zuzug in das Waisenhaus nannte, hatte er mit Bedacht darauf geachtet, nichts freiwillig zu tun und auch ja nicht freundlich zu sein. Dieses Benehmen hatte ihm auf Dauer auch keinen einzigen Freund unter den Kindern, welche dort auch ihr jämmerliches Dasein fristeten, beschert. Alec war als gewalttätiger, psychisch gestörter Unruhestifter bekannt, obwohl er den Kindern nie etwas getan hatte. Die Einzigen, welche unter seiner Rebellion zu Leiden hatten waren die Aufseher und der Rektor des Heimes. Es wurde gemunkelt dass Alec eine Affäre mit dem Rektor hatte, da der Leitende sich immer in den Schritt fasste, wenn ihm Alec über den Weg lief und ihm zuzwinkerte. Alec war dann jeweils schneller gelaufen, doch er konnte den Blick des Rektors immer in seinem Nacken spüren. Oftmals hatte er ihn auch gebeten in sein Büro zu kommen, doch bis jetzt konnte er sich noch jedes Mal davor drücken.

 

Alec steckte den Rest des Brotes in sein Kopfkissen, da er sowieso nicht zu befürchten hatte, dass jemand sein Bett machen würde und huschte zum Fenster. Die Sonne war bereits untergegangen und er blickte in die Finsternis der Nacht und lauschte den Geräuschen der Nacht. Es zirpten Grillen und in der Ferne hörte er einen Uhu. Nicht weit von dem Waisenhaus entfernt war ein Stück Wald, welches die Kinder nicht betreten durften. Alec tat es trotzdem und er fühlte sich dort wohler und sicherer als irgendwo sonst auf dem Areal der Hölle. Alec hatte sich dort eine Art Wohnung eingerichtet. Er hatte in wochenlanger Arbeit ein Baumhaus in der Mitte des Waldes gebaut und es mit der Zeit häuslich eingerichtet. Er hatte Nägel und Hammer aus dem Keller geklaut, sowie ein paar Wolldecken, ein Seil und ein Taschenmesser. In das Seil hatte er mehrere Knoten gemacht, sodass er sich an diesen halten konnte, um auf den Baum seines Baumhauses zu klettern. Dort konnte er sich gut verkriechen, wenn sie eigentlich einen Marsch hinter sich hätten bringen müssen, oder er wie so oft zusammengeschlagen wurde. Bis jetzt hatte ihn dort noch niemand gefunden und wenn Alec weiterhin so vorsichtig war wie bisher, würde dies auch noch lange so bleiben.

 

Alec blinzelte und wandte sein Blick von dem Stück Wald und legte sich in seine Pritsche. Das Holz knarrte leise, als er es sich darauf bequem machte. Neben ihm schnarchten seine Zimmergenossen und Alec zog wie gewohnt die Decke über sein Gesicht, um das Schnarchen etwas zu übertönen. Er konnte kaum einschlafen, wenn er ein monotones Geräusch vernahm. Alec hatte allgemein ein sehr leichter Schlaf, aus dem er auch gerissen wurde, wenn sich jemand mit einem lauten Schnarcher auf die andere Seite drehte. Er wusste, dies würde wiedermal eine lange Nacht geben und drehte sich auf den Bauch. Mit offenen Augen blinzelte er durch die Dunkelheit. Das Zimmer wurde vom Mondschein etwas erhellt und Alec betrachtete die Zeichnung des Mondes. Er überlegte sich, ob man in der Nacht vom Mond aus auch solch eine tolle Aussicht auf die Erde habe, wie er jetzt auf den Mond. Die Lichtstahle warfen schemenhafte Gestalten an die Wände und Alec begann Bilder aus ihnen zu sehen, bis er schliesslich so müde war und einschlief.

 

Am nächsten Morgen wurde Alec durch lautes Geschrei geweckt. Die pummelige Frau war mit Pfanne und Kelle durch die Schlafstetten gepoltert und schlug wie wild mit der Kelle auf den Topf ein, wodurch ein nerv tötendes Klirren verursacht wurde. So lief die morgendliche Weckphase immer ab und die Kinder rieben sich die Augen, gähnten und begannen sich anzuziehen. Nur Alec blieb so lange liegen, bis Mrs. Methhock mit der Kelle auf seine Finger schlug (das einzige, was von Alec unter der Bettdecke hervor schaute). Alec zischte leise, stand dann aber doch wiederwillig auf und ging zum Frühstück hinunter. Oder wie man diesen Teller voll matschigem Gerstenbrei nennen sollte. Der schwarzhaarige Junge würgte seinen Anteil mit Wiederwillen hinunter und musste bei jedem Bissen darauf achten, dass das ganze Essen nicht wieder auf direkten Weg zurück kam, aus dem es in seinen Magen gekommen war. Der letze Löffel war hinuntergeschluckt und Alec erhob sich und ging ins Bad. Dort waren bereits einige Jungs versammelt und lachten. Alec war neugierig und trat näher. Die Knaben hatten einen Kreis um eine Toilette gebildet und einer von ihnen drückte gerade das Gesicht eines Jungens mit Hornbrille in die Kloschüssel. Der Bursche schnappte nach Luft, als er für kurze Zeit aus seinem Elend befreit wurde, um gleich danach wieder in der braunen Brühe des Klos auszuharren. Alec schüttelte den Kopf und schlenderte weiter. Er hatte es aufgegeben irgendjemandem zu helfen. Ihm wurde schliesslich auch nie geholfen, und wenn er aus einer Laune hinaus jemanden gerettet hatte, wurde er von den Tätern angegriffen und der Errettete stellte sich auch gegen ihn, um auf keinen Fall als sein Verbündeter da zustehen. Alec wusste auch nicht genau was sie alle gegen ihn hatten, doch im Grunde genommen hatte es ihn nach der ersten Woche im Heim auch nicht mehr gross gekümmert, da es von Anfang an so war. Alec stellte sich vor ein Waschbecken, griff nach einem Lappen und begann sich das Gesicht und den Oberkörper zu waschen. Das kühle Nass tat ihm gut, nach den Schlägen des letzen Abends. Er begutachtete seinen Körper und tastete nach den blauen Flecken. Er zuckte zusammen, als er über einen besonders grossen und dunkelvioletten Bluterguss fuhr. „Verdammte Scheisse!“, fluchte Alec. Damit hatte er die Aufmerksamkeit der Gruppe von Burschen erweckt, welche ihn daraufhin musterten und noch lauter zu lachen begangen, als sie seinen geprügelten Körper sahen. Der Betroffene schwenke nur seinen Kopf zur Seite, strich sich das Haar aus dem Gesicht, blickte die Bande böse an, zog sich ein frisches T-Shirt über den Kopf und verliess die Waschkammer. Er schritt durch den Gang, rannte eine Wendeltreppe hinunter, durchquerte den Eingangsbereich und quetschte sich durch einen Fenster, welches leicht geöffnet war. Alec sprang vom Fenstersims ins Gras und rannte über die Wiese zum Wald. Bevor er den Wald betrat blickte er noch über die Schulter, um zu sehen ob ihn niemand bemerkt hatte und spurtete schliesslich in die Tiefen des Waldes.

 

Nach einigen Minuten laufen kam er zu seinem Ziel. Er war nun dicht in den Wald eingedrungen und stand vor einem Baumhaus. Es war dunkelbraun, von den Jahren, welche es nun schon dort war, war es gekennzeichnet mit Spinnweben und Kerben im Holz. Das Dach war mit grossen Rindenstücken, Zweigen und Laub gebastelt worden. Nur ein kleines Fenster war vorhanden und ein Loch im Boden der Baumhütte, welches jeweils von einer besonders grossen Rinde bedeckt wurde.

 

Alec schüttelte den schmalen Stamm einer nebenstehenden Eiche und ein dickes Seil fiel mit lautem Getöse hinunter. Der Junge sprang zur Seite, bevor ihn das Seil am Kopf erwischte. Es hatte etwas gebrauch, bis Alec den Dreh draussen hatte, wie er dem Seil jeweils entgehen konnte, da es immer etwas anders fiel und auch nicht jedes Mal am gleichen Ort gelagert wurde. Alec rupfte kräftig am Seil, um zu prüfen ob es noch an Baumhaus hielt. In das Tau waren in regelmässigen Abständen Knoten gemacht worden, durch die sich der Bursche nun in die Höhe schwang. Durch das ofte Klettern war Alec`s Armmuskulatur trainiert worden und auch sonst kam für ihn Training nicht zu kurz. Im Waisenhaus hatte man keine Hobbys. Entweder musste man abwaschen, die Klos putzen, den Boden schruppen, die Fenster säubern oder eine andere Hausarbeit erledigen. Nur selten war da Zeit für sich selbst, doch Alec verschaffte sich jeweils etwas mehr Zeit für sich, als ihm zustünde. Diesen Augenblick verbrachte er abseits von den anderen und in weiter Entfernung vom Waisenhaus: in seiner Baumhütte.

Alec schob die Rinde, die das Loch bedeckte mit einer Hand zur Seite und stieg hindurch. Es zeigte ihm einen luftigen Raum, von etwa vier auf vier Metern. Die Höhe war so eingeplant, dass Alec ohne Probleme stehen und sogar etwas hüpfen konnte. In einer Ecke lagen mehr oder weniger weiche Decken, die seine Couch bildeten und einige Messer und Nägel steckten in einem Baumstumpf nebenan. Alec hatte sich einen kleinen Tisch gebastelt, der ihm etwa bis zu den Knien kam und davor ein geklautes Kissen gelegt und ein grosser Teil des Baumhauses nahm seine Holzschnitzerei in Anspruch. Mit den Küchenmessern bearbeitete er gerne das Holz und schnitze Skulpturen und vor allem Waffen. Mit Vorliebe griff er zum Messer und liess eine Pumpgun entstehen, oder eine Schrotflinte. Seine fertiggestellten Meisterwerke wurden dann jeweils auf ein, etwas wackliges, Bücherregal gestellt und mit Steinen so in Pose gebracht, dass man sie sehen konnte. Neben dem Regal stand ein Schwert. Es hatte mehrere Wochen gedauert, bis er das geeignete Holz gefunden hatte, dann nochmals viele Wochen bis der Grundriss entstanden war und dann kamen noch die aufwendigen Verzierungen hinzu und der letze Schliff der Klinge. Auch dieses war aus Holz gefertigt, endete in einer geschwungenen Spitze und die prachtvolle Musterung im Griff gab dem Schwert den letzen Kick. Alec packte das Schwert, legte es in ein Lacken, band ein Seil um den Lacken und liess es daran durch die Luke im Boden wieder auf den Erdboden gleiten. Kurz danach kletterte Alec selbst den Strick wieder hinunter und packte sein Goldstück wieder aus. Er wog das Schwert in den Händen, worauf er es gleich mit dem ersten Schlag durch die Luft sausen liess. „Noch so gut wie neu.“, grinste Alec. Er hob das Schwert auf seine Schultern, griff mit beiden Händen je ein Ende des Holzes und drehte seinen Oberkörper von einer Seite zur andern. Jedes Mal, bevor er die Richtung änderte verharrte er eine Weile in dieser Position, damit seine Muskeln gut gedehnt wurden. Nach einigen Wiederholungen legte er das Schwert bei Seite und dehnte er seine Beine, wie er es manchmal im Fernsehen bei Fussballspielen gesehen hatte. An besonderen Anlässen, durften die Kinder nämlich Fernsehen. Zum Beispiel an Geburtstagen oder Festen.

 

Alec griff im Stehen nach seinen Füssen, berührte sogar den Boden, richtete sich langsam wieder auf und liess sich nach hinten kippen um sich kurz danach mit den Händen wieder aufzufangen. Sein Körper bildete eine kleine Brücke und seine Rippen kamen zum Vorschein. Mit einem Ruck und viel Körperbeherrschung stiess er sich mit den Beinen vom Boden ab und ging in den Handstand. In dieser Stellung spreizte er seine Beine soweit er konnte und liess seine Ellenbogen langsam einknicken. Alec`s Nase erreichte fast den erdigen Boden, als er sich wieder in die Höhe stämmte. Auch diese Übung wiederholte er mehrmals, bis ihm der Schweiss vom Kinn tropfte und er wieder aufrecht stand.

Er ging in die Hocke, packte sein Schwert und liess es langsam von der einen Seite zur anderen gleiten, holte zum Schlag aus, schwang es allerdings kurz vor den Aufprall nach rechts und hechtete selbst zur Seite. Mit einer runden Rolle, fing er den Sturz geschickt ab, stoss sich am nahegelegenen Baum ab und sprang mit erhobenem Schwert auf eine kleine Blume zu. Kurz vor dem Aufprall blockte Alec den Schlag ab und liess das Holzschwert sachte das Blümchen berühren. Er kniete nieder, legte seine Waffe neben sich und stupste die Pflanze leicht an. Sie kippte nach hinten und schwang wieder hervor. Sie war etwa so hoch wie Alec`s Handbreite. Der Stiel war giftgrün und mit feinen Härchen übersät, die Blüte war hellrosa mit einem weissen Kern in der Mitte. Alec roch daran und musste niesen. „Hach immer das Selbe…“, meinte er und nieste erneut. Er rieb sich die Nase und schaute zum Himmel. Die Sonne schimmerte durch das Blätterdach und warf kleine Schatten auf den Waldboden. Dieser war bedeckt von Moos, alten braunen Blättern und kleinen gedeihenden Pflänzchen, wie zum Beispiel der hellrosanen Blume zwischen Alec`s Fingern.

Alec kippte zur Seite und liess sich ins feuchte Moos fallen. Einen Moment lang blieb er so liegen und begann nach einer Weile kleine Ästchen in seiner Handfläche zu zermalmen. Es pikste doch Alec war es egal. Er war geschafft vom harten Training und in seinen Adern pulsierte sein warmes rotes Blut.

 

-BUBUMMM-

Es wurde ihm kurz schwarz vor Augen und als er danach wieder was erkennen konnte, sah er nur noch eine Farbe: Rot. Spritzendes rotes Blut. Es war überall. Klebte an den Wänden, auf den Sitzen und am Boden. Die leuchtende Farbe schoss in Alec`s Augen, wurde nur durch den strömenden Regen etwas gemildert, floss über das junge männliche Gesicht, und sickerte die Frontscheibe eines Autos hinunter. Die Augen seines Vaters quollen hervor und hallender Schrei durchbohrte Alec`s Gehirn. Da war es wieder; Die schreckliche Erinnerung an den Unfall vor sieben Jahren.

 

 

 

 

 

Kapitel 3

 

Alec dröhnte der Kopf. Er schien gleich zu explodieren und seine Sicht war verschwommen. Benommen griff sich Alec an den Kopf und strich sich die Haare aus seinem Gesicht. Er keuchte und langte mit beiden Händen nach dem Barhocker neben ihm um sich daran aufzuziehen. Etwas wackelig auf den Beiden schaute Alec um sich und fand eine Bar vor, die aussah wie ein Ort nach einem Massaker. Überall lagen umgekippte Flaschen, nicht die Hälfte davon noch ganz, ein Blutfleck am Boden wo Alec kurz zuvor noch gelegen hatte und eine halb ausgehängte Eingangstür.

 

Alec torkelte in die Vorratskammer, öffnete den Kühlschrank und suchte nach einem Pack Milch. „Was?! Keine Milch im Haus? Was ist denn das für eine kaputte Hütte…“, murrte Alec und schlug die Kühlschranktüre wieder zu. Er wandte sich langsam der Eingangstür, beziehungsweise dem verbliebenen Rahmen zu und verliess die Bar Dark Poker. Gleich links neben der Bar fand er sein geliebtes Auto wieder und tätschelte das Dach. Da fiel ihm plötzlich das Geschehene von letzer Nacht wieder ein und wie sein Chevrolet kurz danach ausgesehen hatte. Verdutzt schaute er sich seine Karre nochmals genauer an und musste feststellen, dass sie wie neue ausschaute. „Ahhh… Danne hat sie ja repariert. Dafür lade ich Ihn mal auf was zu trinken ein…“ Und da dachte er an die vielen Flaschen in der Bar. „Mein Gott! Ich weiss schon wieso mir der Kopf dröhnt! Danne ist bestimmt sauer gewesen und hat mir deshalb eine gehauen. Naja… Verdient hätte ich es ja. Aber wo steckt der Kerl eigentlich?“ Seit Alec aufgewacht war, war Danne verschwunden gewesen. Doch Alec kümmerte sich nicht gross darum und stieg in sein Auto. „Der wird schon wieder kommen. Und wütend ist er dann sicher auch nicht mehr…“ Insgeheim hoffte Alec dies allerdings auch schwer. Er wollte sich nicht vorstellen, wie Danne reagieren würde, wenn er Alec nicht betrunken anträfe. Alec drehte den Zündschlüssel und startete den Motor, legte den ersten Gang ein und fuhr los.

Das Gefährt brauste durch die dürre Landschaft, vorbei an den alten verkommenen Häusern und Fabrikanlagen. Das Alec seinen Rausch noch nicht ausgeschlafen hatte, kümmerte ihn wenig. Dafür wollte er sich ein kurzes Bad an seinem Lieblingsort gönnen. Alec drehte die Musik an und liess „Down the sickness“ von Korn laufen. Er nickte energisch mit dem Kopf im Takt der Musik, was er aber bald bleiben liess, als sein Kopf noch extremer zu schmerzen begann.

Das Lied war vorbei und das nächste hallte durch das Auto. Alec kurbelte das Fenster hinunter und legte lässig seinen Arm darauf. Die alten Fabrikanlagen und den staubigen Boden hatte Alec schon lange hinter sich gelassen und hohes Gras mit einem schmalen Weg eröffnete sich Alec`s Augen. Die Grashalme schlugen gegen die Scheiben und Alec nahm schnell seinen Arm wieder runter, als die ersten Halme seinen Arm zu zerschneiden begannen. Der kühle Fahrtwind liess Alec etwas klarer sehen und nun bekam er Durst und griff auf der Rückbank nach einer Flasche stillem Wasser. Mit einer Hand am Lenkrad und mit der anderen die Flasche an seinen Mund haltend brauste er über die Landschaft.

Vor ihm kam langsam das Meer zum Vorschein. Die Sonne spiegelte sich in den Fluten und das Wasser war durch den nie endenden Horizont vom hellblauen, wolkenlosen Himmel getrennt.

Alec parkierte sein Chevrolet Impala unter einem Baum wie immer und schlenderte, beziehungsweise torkelte zum Strand hinunter. Die Wellen schlugen gegen die Brandung und wiederspiegelten die Strahlen der Sonne. Alec zog sein Shirt aus, roch daran: „Ach… Könnte auch wiedermal eine Waschung vertragen…“ Er warf es zur Seite, zog seine Schuhe und Socken aus, knöpfte seine Hose auf und streifte sie über seine muskulösen Beine. Ein leises Pfeifen liess Alec aufhorchen. Noch mit einem Bein in der Hose drehte er sich hüpfend um und erblickte eine Frau mit kurzen Haaren, einem straffen flachen Bauch, weiblichen Rundungen und einem extremen Vorbau. Sogar Alec, dem Frauen eigentlich egal waren, viel dies gleich ins Auge. Langsam zog er sein verbliebendes Bein aus der Hose und warf auch diese zur Seite. Etwas verwirrt legte Alec den Kopf schief und erkannte in der Frau, die vor ihm stand, die Frau die er paar Tage zuvor, an der exakt gleicher Stelle baden gesehen hatte.

„Wie heisst du?“, wollte die Schönheit wissen. Alec schüttelte den Kopf blickte arrogant hinter seinen pechschwarzen Haaren hervor. „Das geht dich einen feuchten Dreck an.“, erwiderte er und machte Anstalten ins Wasser zu gehen. Empört kickte die Frau in den Sand und traf damit Alec`s Rücken. Genervt drehte sich Alec um und fauchte die Übeltäterin an: „Was glaubst du wer du bist hä? Glaubst du kannst hier einfach auftauchen und die Wichtigtuerin spielen?! Ne, nicht mit mir!“ Er wollte schon weiter laufen als die Kurzhaarige zischte: „So springt man nicht mit einer Dame um!“ – Einer Dame? Tut mir leid, ich sehe hier keine Dame!“, antwortete Alec bissig. Das war zu viel des Guten und die Frau keifte ihn an: „Du Wiederling! So spricht man nicht mit mir!“ – „Du hast doch angefangen und wolltest einen Streit anzetteln.“ – „Ich… Habe dich nur nach deinem Namen gefragt.“, knurrte die Frau mit zusammen gekniffenen Augenbrauen. „Hab ich doch gesagt, dass er dich nichts angeht.“ Gereizt beendete Alec somit das Gezeter der Frau und sprang in die Fluten. Immer noch brodelnd vor Wut machte die Schönheit kehrt und lief einen Weg die Klippen hoch. Allerdings konnte sie nicht umhin nochmals einen Blick über die Schultern zu werfen und ihre Augen über den makellosen, unbehaarten Körper Alec`s wandern zu lassen, wie er da gegen die hohen Wellen kämpfte. Doch da kam ihr die Unterhaltung von vorher wieder in den Sinn und lief mit erhobenem Kopf zügig den steilen Weg hinauf.

 

Alec schwamm im perfekten Kraul weiter ins Meer hinein. Seine kräftigen Arme bahnten sich einen Weg durch die Wassermassen, die Beine gesteckt hinter sich. Mit feinen auf-ab-Bewegungen seiner Füsse liessen sie seinen Körper schnell durchs Salzwasser gleiten. Kurz bevor eine grosse Welle über seinen Kopf hinweg schoss, tauchte Alec unter und hielt die Luft an. Er tauchte in die Tiefe, liess ein paar Luftblasen aufsteigen und schoss schliesslich selbst wieder hinauf zur Wasseroberfläche. Sein Gesicht teilte das Wasser und seine Haare spritzen nach hinten, als Alec seinen Kopf nach hinten warf und mit den Händen das Nass von seiner Haut wischte. Die Sonne blendete ihn und Alec musste mehrfach blinzeln. Um den hellen Strahlen zu entgehen legte er sich mit geschlossenen Augen auf den Rücken und liess sich von der Strömung treiben. Er atmete so flach, dass konstant ein wenig Luft in seinen Lungen blieb, die ihm den Auftrieb gewährten. Er verharrte eine Weile in dieser Position und lauschte dem Lied des Ozeans. Alec hörte das Rauschen der Wellen und das prasselnde Wasser, welches zurück ins Meer fiel, nachdem es an die Klippe geprescht war. Ein feines Rauschen entstand durch die ständig aufsteigenden Luftblasen und Alec konnte sich selber atmen hören. Das Meer beruhigte ihn jedes Mal und der frische Duft des Salzwassers liess ihn entspannen.

Er dachte an den Abend im Stützpunkt von White Deer und fragte sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, den Abschaum Hoshiro nicht gleich zu töten, sondern ihn als Gefangener zu nehmen oder zuerst die Mitglieder von White Deer nieder zu metzeln und sich dann anschliessend wieder Mizuka Hoshiro zuzuwenden.

„Hach… Nützt doch alles nichts. Passiert ist passiert und ändern kann ich es auch nicht mehr.“

Ein Ziepen an seiner Wange liess Alec seine Augen öffnen und fasste sich mit einer Hand an die juckende Stelle. Er ertastete eine Schnittwunde, die im Meerwasser desinfiziert wurde. Sie war entstanden, als ein Messer im Kampf gegen White Deer an seinem Kopf vorbei gesaust war. Der junge Mann rieb sich die Wunde und scheuerte die heilende Kruste auf. Der Schmerz entflammte wieder und Alec`s Auge zuckte. „Schön. Wieder eine Narbe mehr. Was solls.“

Dies war eine Tatsache. Alec`s Körper war übersät von kleinem und grossem Narbengewebe. Es war bei den jahrelangen Kämpfen und Trainings entstanden, die ihn zu dem gemacht haben, was er jetzt war. Jede Narbe hatte seine Geschichte, doch Alec scherte sich einen Dreck darum. Für ihn zählte nur das Hier und Jetzt. Die wirklich einschneidenden Erlebnisse seiner Vergangenheit konnte er gut unterdrücken und soweit in seinen Hinterkopf verbannen, dass man ihm nicht anmerkte, was er schon alles durchgemacht hatte.

 

Ein Schrei einer Möwe holte Alec aus seinen Tagträumereien und er hob den Kopf. In der Zeit in der er sich einfach trieben liess war er ein gutes Stück vom Strand weggetragen worden. Die Strömung unter ihm war wohl doch reissender gewesen als er angenommen hatte. Er schwamm zurück ins seichte Gewässer und stand auf. Seine Füsse gruben sich in den kühlen Sand und die einzelnen Körner glitten um seine Zehen hindurch. Er hob seinen rechten Fuss an und der Sand rieselte zurück auf den Meeresboden. Alec streckte sich ausgiebig, reckte seine Arme in die Höhe und watete ans Ufer. An Land angekommen klebte der Sand an seinen Füssen und das Wasser tropfte von seinen Boxershort. Alec schüttelte den Kopf und kleine Tropfen spritzen um ihn herum. Mit zerzausten Haaren lief er zu einem Felsbrocken und liess sich darauf nieder. Er stützte sich mit den Händen hinter sich ab und liess den Kopf sinken. Durch die Dehnung löste sich langsam die Verspannung in seinem Nacken und den Schultern. Ein warmer Wind wehte um ihn herum liess einige Blätter mit sich tanzen. Die Sonne tat ihren Auftrag und liess die Wassertropfen auf Alec`s Haut trocknen. Seine Hose war noch feucht, als er sich von den Felsen erhob und einen nassen Abdruck darauf hinterliess. Alec schlenderte den Strand entlang und betrachtete die in der Luft kreisenden Möwen.

Er war nun länger hier gewesen als er eigentlich vor gehabt hatte, doch im Grunde war es ihm egal. Nach der Anspannung der letzten Tage und dem Rausch vom Alkohol hatte ihm das lange Bad gut getan. Er fühlte sich nun wieder frisch und auch seine Kopfschmerzen waren fast gänzlich verschwunden, nur noch ein feines Pochen seiner Schläfen konnte Alec noch spüren.

Der junge Mann hüpfte einmal von rechts nach links und wieder zurück. Am späten Nachmittag begann Alec`s Tageszeit in der er zur Höchstform auflief. Sein Haar wippte in den gleitenden Bewegungen und Alec riss sein Bein in die Höhe, stiess es zur Seite und zerschlug seinen unsichtbaren Gegner. Nun wieder auf beiden Beinen stehend schwang er seine Arme und suchte den Strand nach seinen verstreuten Kleiderstücken ab. Er fand seine beiden Socken vor einem grossen Stein, gleich neben seinen Schuhen, die Hose mitten auf dem Strand und sein Shirt weiter hinten an einem Dornenbusch hängend. Er streifte sich die Klamotten über, zog Socken und Schuhe an und machte sich gut gelaunt zu seinem Lieblingsgefährt, seiner alten Karre auf.

Ein paar Blätter waren auf die ledernen Sitze seines Autos gefallen, welche Alec mit einer flotten Handbewegung wegwischte. Als er einen Kotflecken eines Vogels auf der Motorhaube entdeckte, schwand seine gute Laune gleich wieder und eine Ader auf seiner Stirn trat hervor. Genervt kramte Alec ein Taschentuch, ein Desinfektionsmittel und einen Glanzspray aus dem Fach vor dem Beifahrersitz. Mit einigen desinfizierenden Spritzern auf dem Taschentuch putzte Alec den Kot von dem schwarzen Lack. Er faltete das Tuch einmal in der Mitte und wischte mit der sauberen Seite nochmals darüber, nachdem er mit dem Glanzspray über die betroffene Stelle gespritzt hatte. Zufrieden betrachtete er die glänzende Motorhaube und öffnete die Autotür. Alec setzte sich ans Steuer, startete den Motor und die Reifen rollten über die trockene Erde davon, in die Schatten der Bäume.

 

Während die Reifen über den unebenen Weg sausten, überlegte sich Alec ob er vielleicht nochmals bei Danne vorbeischauen sollte. Ein paar dankende Worte für die Reparatur seines Chevrolets könnten ja eigentlich nicht schaden. Er kniff die Augenbrauen zusammen und durchdachte die Idee nochmals, als ihm die Szene mit dem Alkohol einfiel. „Wäre wohl nicht ratsam jetzt bei ihm aufzutauchen. Immerhin hat er sich aus dem Staub gemacht… Macht er ja immer, wenn er einem Konflikt aus dem Weg gehen will! Naja, ich will ihn ja nicht provozieren. Ich lass es für heute gut sein.“

Sein knurrender Magen machte sich bemerkbar und Alec beschloss noch einen Abstecher in den Supermarkt zu machen, bevor er nach Hause fuhr. Da der Tankstellenshop gerade am Weg lag machte er dort halt und betrat den Laden. Kühle Luft umhüllte ihn, als sich die automatische Tür hinter ihm wieder verschloss. Vor ihm ragten hohe Regale voller Lebensmittel in die Luft und links von ihm war eine Kühltruhe mit Fleisch.

„Ein feines Steak mit Rahmsauce, Petersilie, gedämpfte Tomaten und Nudeln soll`s heute sein.“ Er griff beherzt in die Kühltruhe und tastete nach einem besonders dicken Schweinesteak und klappte den Deckel wieder zu. Da Alec einen Korb vergessen hatte, drehte er sich nochmals zur Eingangstür um und nahm sich einen grauen Plastikkorb mit einem hellgrünen Henkel. Er legte das verpackte Fleischstück hinein, schritt vorwärts zur Getreideabteilung und nahm sich zwei Packungen Eiernudeln vom Regal. Auf dem Weg um sich Milch zu holen, hielt er noch kurz bei den geschnittenen Petersilien und den Tomaten, nahm sich ein Glas von beidem und legte danach auch gleich vier Packungen Milch und ein Fläschchen Rahm behutsam hinein. In zügigem Tempo verliess Alec die Regale und stellte sich bei der wartenden Schlange an der Kasse hinten an. Nach guten fünf Minuten konnte er seine Ware auf das Rollband legen und verstaute den Korb vor dem Kassenbrett.

Die Verkäuferin an der Kasse grüsste freundlich und sagte: „Das mach alles zusammen 7‘220 Yen.“ Alec schaute sie verdutzt an und durchsuchte anschliessend seinen Geldbeutel. Sein Blick verdüsterte sich. „Alles in Ordnung?“, fragte die Verkäuferin. „Ja… Alles klar.“ Alec gab ihr 7‘500 Yen und er hielt das Retourgeld von 280 Yen. Bedrückt betrachtete Alec nochmals seinen Geldbeutel und stellte fest, dass sein Geld vielleicht noch bis Ende nächster Woche reichen würde, bis er Pleite ging. Er stopfte die Esswaren in einen Plastiksack, verliess den Tankstellenshop und legte ihn auf die Rückbank. Er schloss die Autotür mit einem sanften Schoss und setze sich vor das Steuerrad. Mit immer lauter knurrendem Magen rollte der Wagen an und Alec fuhr nach Hause.

 

Seine Laune wurde immer besser, wenn er an sein Abendessen dachte, welches er sich gleich zubereiten würde. Im lief das Wasser im Mund zusammen, während er seine Karre in der engen Gasse parkte und freudig seine Tüte von der Rückbank packte, das Auto verschloss und die Stufen zu seiner Wohnung hinauf hastete. Alec entriegelte die Wohnungstür, trat ein, streifte sich die Schuhe von den Füssen, knallte die Schlüssel auf die Kommode nachdem er die Tür wieder verschlossen hatte und lief in die Küche.

Alec zog eine Bratpfanne aus der Schublade, gab einige Tropfen Öl hinein und während sich das Öl erhitze, füllte Alec eine weitere kleine Pfanne mit lauwarmem Wasser, streute Salz hinein und stellte sie ebenfalls auf eine heisse Herdplatte. Kurze Zeit später war das Öl erhitzt und Alec gab die geschnittene Petersilie bei. Während diese vor sich hin brutzelte, stellte Alec den Backofen ein, würzte das Fleisch mit Senf, Pfeffer und Salz und liess nun auch die Eiernudeln ins kochende Wasser fallen. Die Petersilie war nun geröstet und gab einen würzigen Geruch an die Luft ab. Mit den hölzernen Stäbchen legte Alec das Steak in die Pfanne, worauf ihn einige Ölspritzer im Gesicht trafen und er das Gas hinunter schraubte. Er wischte sich das Öl mit einem Tuch weg und legte die Tomaten in einen Glasbehälter, füllte ihn mit ein wenig Wasser, gab nochmals Salz und Pfeffer über die Tomaten, legte einen ebenfalls gläsernen Deckel darüber und legte sie in den vorgeheizten Backofen.

 

Nun musste er warten. Alec öffnete ein Fenster um den Dampf aus der Küche entfliehen zu lassen. Er nahm sich Messer, Gabel und ein strohiges Tischset aus einer Ziehschublade legte alles zusammen auf den Tisch im Wohnzimmer und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank, nachdem er die vier Milchpackungen darin verstaut hatte. Er öffnete die Dose, nahm einen kräftigen Schluck und stellte sie ebenfalls auf den Wohnzimmertisch. Alec ging erneut in die Küche um das Fleisch einmal zu wenden und um in der Pfanne mit den Nudeln zu rühren. Zurück im Wohnzimmer schlug er das Heftchen mit dem Fernsehprogramm auf und suchte nach einem geeigneten Film. Nach kurzem Suchen hatte er noch nichts gefunden, schlug es wieder zu und kniete vor seinem Möbel, auf dem der Fernseher stand, nieder und öffnete es. Darin offenbarte sich eine grosse DVD-Sammlung und Alec zog „The Fast an the Furious“ heraus. Er schob die Platte in den Rekorder und schaltete den Fernseher ein. Alec legte die Fernbedienung zurück auf den Tisch und rührte in der Küche erneut in den Pfannen. Das Fleisch war nun fast durch und er goss ein wenig Rahm in die Bratpfanne und nachdem das Zischen verklungen war streute er nochmals Salz, Pfeffer und etwas Paprika hinein. Von den Bratrückständen und dem Rahm ergab sich nun eine hellbraune Rahmsauce. Alec probierte eine Nudel, nickte zufrieden und liess das Wasser ab. Er schöpfte sich eine grosse Portion, schaufelte sein Steak auf den Teller und schüttete mit einem Löffel Rahmsauce über Nudeln und Fleisch. Er öffnete den Backofen, entnahm zwei gedämpfte Tomaten, nachdem ihm ein Schwall von Dampf ins Gesicht geschossen war und schaltete Backofen und Herd ab.

 

Mit dampfendem Teller schlenderte er ins Wohnzimmer, legte sich ein Kissen in den Rücken, nahm sich den Teller auf den Schoss, griff nach der Fernbedienung und startete den Film.

 

Genüsslich schnitt er ein Stück Fleisch ab und schob es sich in den Mund. Zufrieden mit seinem Gericht kaute er im Takt der Musik und stellte den Fernseher nochmals etwas lauter. Die Nachbarn kümmerten ihn nicht…

Bei einer spannenden Actionszene, als die Autos gerade ein wildes Rennen veranstalteten und als die eine Karre fast zwischen seinem Gegner und der Wand zerquetscht wurde, zuckten Alec`s Augen und sein Körper war vollkommen angespannt. Beim Crash weiteten sich seine Augen wieder und er musste verschmitzt grinsen. Er schob sich eine Nudel in den Mund und so verging der Abend und es war schon nach Mitternacht, als Alec den Fernseher abschaltete und das Geschirr in die Küche brachte. Zum Abwaschen hatte er keine Lust mehr, stand noch kurz unter die Dusche und zog sich anschliessend eine Unterhose und eine Trainerhose an und stieg ins Bett. Er löschte die Lichter und nach einigem hin und her, auf welcher Seite es sich besser liegen liess, war er auch schon eingeschlafen.

 

 

Am nächsten Morgen wurde er gegen Mittag von einem Sonnenstrahl, der direkt auf seine Augen schien, geweckt. Schläfrig wuschelte er sich durch die Haare, streckte sich und schlug die Bettdecke zur Seite. In der Küche schenkte er sich ein Glas Wasser ein und leerte es in einem Zug. Danach schob er sich ein grosses Stück Brot in den Mund und schlenderte ins Bad, während er genüsslich darauf herum kaute. Als er in den Spiegel blickte, beschloss er sogleich zu duschen. Er sah fürchterlich aus; Das Haar stand in alle Richtungen, dunkle Augenringe hatten sich gebildet und er war kreide bleich.

Er zog sich Hose und Unterhose miteinander aus, stieg in die Dusche und drehte den Hahn an. Das kalte Nass liess seine Lebensgeister erwecken und er blieb so einige Zeit mit dem Gesicht unter dem Wasserstrahl stehen. Langsam beschlich ihn der Gedanke, dass er wiedermal einen Auftrag annehmen sollte um Geld zu verdienen. Es war schon Ende Monat, Zeit dass die Rechnungen ins Haus trudelten. Alec shampoonierte sich Körper und Haare ein, spülte das Shampoo anschliessend runter und drehte den Wasserhahn ab. Mit dem Frottiertuch strich er sich über die Haut und rubbelte seine schwarzen Haare fast trocken. Mit der Hand strich er sie nach hinten, sprayte sich Axe Alaska Deo unter die Achseln und lief in den Gang um seine Klamotten aus dem Schrank zu holen. Er fischte sich frische grau-weiss-karierte Boxershort, eine schwarze, weite Stoffhose mit einer Menge Schnallen und Säcken, schwarze Socken und ein enganliegendes weisses Trägershirt, heraus und streifte es sich über.

 

Alec lief durch das Wohnzimmer, öffnete alle Fenster, ging in die Küche und ins Schlafzimmer und tat das Selbe. Während seine ganze Wohnung durchgelüftet wurde, wusch Alec das Geschirr vom Vorabend ab und putzte die Küche und das Badezimmer mit Lappen, Wasser, Seife und Poliermittel. Im Appartement breiteten die Putzmittel einen frischen blumigen Geruch aus. Der junge Mann holte einen kleinen Staubsauger aus dem Putzschrank, steckte das Kabel in die Steckdose und liess das Sauggerät aufheulen. Mit grosser Präzision saugte der Staubsauger unter jedem Möbel, hinter jedem Gegenstand und in jeder Ecke den Dreck weg und als er verstummte, fand Alec eine frisch geputzte und glänzende Wohnung wieder. Zufrieden verstaute er den Staubsauger wieder im Schrank, schloss die Fenster, strich sich durch die kurzen schwarzen Haare und zog sich dann seine Turnschuhe an. Er nahm ein schwarzes Chilet von der Garderobe, warf es sich über, liess es aber offen, griff nach einer Pistole in der Kommode neben der Tür, stopfte in eine seiner vielen Hosentaschen und nahm die Schlüssel in die Hand. Mit einem prüfenden Blick zurück durch den Flur, entriegelte Alec die Eingangstür, schlüpfte hindurch und schloss gleich wieder ab.

 

Es war bereits vier Uhr nachmittags und Alec hatte vor Danne einen Besuch abzustatten um sich für die Autoreparatur zu bedanken. Lässig lief er die Treppenstufen hinunter und wollte die Wagentür seines Chevrolet Impalas öffnen, als ihm zwei Männer auffielen, die prüfend um seinen Wagen schlichen. Alec`s Auge zuckte und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Gereizt liess Alec seinen Schlüsselbund um den Zeigefinger drehen und lief auf die Männer zu. Einer von ihnen blickte auf und Alec erkannte das Gesicht des einen Mannes, der einige Zeit zuvor in dem Tankstellenkiosk den Verkäufer bedroht hatte. Der zweite, etwas schmälere Mann strich sich mit der flachen Hand über die Nase und liess die Luft durch die Zähne pfeifen.

„Was wollt ihr? Weg von meiner Karre!“, rief Alec. Die Männer schauten sich feixend an und der eine, welcher Alec zuerst bemerkt hatte, wollte sich mit der Hand auf dem polierten Lack des Autos abstützen. Blitzschnell machte Alec einen Satz nach vorne, packte seine Hand und drückte sie zur Seite. „Verpisst euch…“, sagte Alec mit ruhiger drohender Stimme. „Du bist doch Alec Shay, nicht?“, antwortete der Mann. Alec sah die Männer forschend an und meinte: „Und wenn es so wäre?“ „Bist du`s oder bist du`s nicht?“, fragte der andere. Alec zückte seine Pistole und drückte sie dem festeren Mann unters Kinn. Dieser grinste nur und stellte fest: „Also bist du es. Wir hatten also doch recht. Du hast uns beobachtet als wir im Kiosk waren stimmt`s?“ Alec nickte kurz und sein Griff um das Handgelenk des einen Mannes verhärtete sich. Die Männer sprachen von der Szene, als sie den Verkäufer bedroht hatten, ihnen ein kleines Päckchen zu geben und der Verkäufer war sichtlich verängstigt gewesen. „Was wollt ihr?“, wiederholte Alec. „Wir können mit unseren Beobachtern nur nicht zu fahrlässig umgehen. Also wenn es sich herausstellt, dass du zu viel weisst, wirst du den nächsten Morgen nicht mehr erleben…“ Bei diesen Worten lachte Alec schallend auf. „Als ob ich es nötig hätte, mich um euch Gedanken zu machen. Seit ihr von White Deer oder was? Dann würdet ihr mich vielleicht etwas interessieren. Aber so? Es kümmert mich nicht was ihr vorhabt und was nicht. Ist eure Angelegenheit und nicht meine!“ Nun kicherte der Mann, wessen Arm Alec festhielt. „Du kommst dir schon sehr mächtig vor. Aber du hast recht. Es braucht dich nicht zu interessieren was wir tun. Aber wir gehören nicht zu White Deer. Wir bahnen uns unseren Weg auf unsere Weise. Wir brauchen nicht das Wohlwollen der Bevölkerung zu erhalten. Uns schert die Meinung anderer nicht, aber wir machen auch mit solchen Leuten Geschäften, sofern es sich lohnt.“ Nun war Alec`s Interesse geweckt. „Also arbeitet ihr doch mit White Deer zusammen?“ „Nicht direkt. Wir verfolgen zur Zeit nur das selbe Ziel.“ „Und das wäre?“, wollte Alec wissen. „Das geht dich einen ebenso feuchten Dreck an, wie jeder andere auch.“ Mit diesen Worten riss er sich von Alec`s Griff los und die beiden Männer verschwanden. Alec liess die Hand sinken und legte den Kopf schief. „Komische Typen… Aber ich werde sie sicher nicht das letzte Mal gesehen haben.“ Er stieg in seinen Wagen ein und brauste zu Danne`s Bar Dark Poker.

 

Vorsichtig drückte Alec die Tür zur Bar auf und suchte den Raum nach Danne ab. Es war stickig und einige Männer sassen auf den Hockern vor dem Tresen. Alec war erstaunt, wie sauber es inzwischen wieder war und dass er nur noch vereinzelte Glassplitter sehen konnte. Danne hatte wohl ganze Arbeit geleistet und war sicher die ganze Nacht wach gewesen und hatte seine Bar wieder auf vorder man gebracht.

Ein leichtes Schuldgefühl kam in Alec`s Brust auf, als ihn schon ein harter Schlag im Gesicht traf und ihn das Gleichgewicht verlieren liess. Er stürzte gegen einen bärtigen Mann mit kahlen Stellen in seiner Haarpracht und einen gigantischem Bierbauch. Dieser schubste Alec zurück und brummte etwas Unverständliches in seinen Bart. Alec kauerte nun am Boden und rieb sich die Wange. Seine Augen wurden durch die Lampe an der Decke geblendet und er erkannte nur eine breite Gestalt, die sich über ihn gestellt hatte und das Bein hob. „Du verdammter Scheisskerl! Du Wichser! Du kleines niederträchtiges Stück Dreck!“, schrie Danne und stampfte mit dem Fuss auf Alec`s Bein, Bauch und Hüfte ein. „Du verlogenes Arschgesicht! Wie kannst du es wagen, meine Bar in einen Saustall zu verwandeln, den halben Vorrat zu plündern und dann mit der reparierten Karre, ohne Danke zu sagen, abzuhauen?!“ Mit einem weiteren Tritt in Alec`s Rückgrat hielt Danne schnaufend inne. Bevor dieser zu einem neuen Schlag ausholen konnte, rappelte sich Alec auf und trat ein Schritt zurück. Er hob die Hände beschwichtigend nach oben und musste zuerst einem Faustschlag ausweichen, bevor er reden konnte: „Wie hätte ich mich für die Reparatur bedanken sollen, wenn du dich verzogen hast?“ „Ich mich verzogen? Bevor ich dir alle Knochen gebrochen habe?! Glaubst du das wirklich?“ „Naja… Du warst jedenfalls nicht da, also dachte ich, du wärst dich abreagieren gegangen...“ Danne schrie noch lauter: „Muss ich mich denn zuerst bei einem besoffenen Wichser abmelden gehen, bevor ich kurz pissen gehen kann?“ Alec`s Augen weiteten sich. „Oh… Ich ähm… Ich wusste nicht, dass du…“ „Ja, das habe ich jetzt auch festgestellt, dass du es offenbar nicht mitgekriegt hast!“ Alec kratze sich verlegen am Hinterkopf. Seine Vermutung, Danne wäre nicht mehr so wütend, nachdem er darüber geschlafen hatte, war gescheitert. „Wie hätte er sich auch abreagieren sollen… Hat wahrscheinlich die ganze Nacht seinen Schuppen renoviert und den Vorrat aufgefüllt.“, dachte Alec. „Öhm… Sorry. Tut mir echt leid, dass ich… Dass ich so viel gesoffen habe und mich nicht bei dir bedankt habe. Dankeschön für das Reparieren meines Wagens.“, beschwichtige Alec Danne. Der Blondschopf schnaubte. Doch seine Augen blickten nicht mehr ganz so finster und auch seine Faust lockerte sich. Die schlimmste Phase hatte Alec überstanden, aber er wusste, das Thema war noch nicht gegessen. „Bitte. Aber für den Schaden den du in meiner Bar angerichtet hast, wirst du Busse zahlen!“, befahl Danne. „Aber ich habe gar kein Geld!“, antwortete Alec, „ich habe gerade noch genug um mich über die Runden zu bringen.“ „Dann verdien dir was! Ich habe auch schon einen Auftrag für dich. Es springt einen recht grossen Betrag dabei heraus. Eine Million Yen.“ Alec begann breit zu grinsen und machte einen Hüpfer. „Nicht so schnell mein Lieber. Drei Viertel trittst du an mich ab, für die Auffrischung meines Alkohollagers, die Arbeit die ich dafür hatte und haben werde, und ein bisschen Schadenersatz.“ Alec`s Grinsen verschwand und ein dunkler Schatten legte sich über Alec`s Augen. „Drei Viertel?“, meinte er langsam. Danne nickte. „Und keinen Yen weniger!“ Alec seufzte und dachte: „Wenn er nur nicht so viel getrunken hätte… Dann wären seine Geldsorgen für die nächsten paar Monate gestrichen gewesen. Aber Alkohol war teuer und auch die Türe musste renoviert werden. Dies kostete schon einiges und eigentlich hatte er es ja verdient.“ Er rollte die Augen, nickte aber einwilligend. Danne war zufrieden. „Nun musst du dir aber auch noch anhören, um was sich es bei dem Auftrag handelt.“ Alec spitze die Ohren.

 

„Am Stadtrand von Hiroshima gibt es ein Rotlicht Milieu. Dort lebt ein älterer Mann namens Kenzo Yamada. Er soll um die 45 Jahre alt sein und beherbergt einige papierlose Nutten in seinem Lokal. Yamada soll mehrere Kilo „Salvia divinorum“ jährlich nach Japan importieren und exportieren. Stell sicher, dass der Stoff regelmässig abgefangen wird und an Sherman Tank Hoopti Rida kurz gesagt Rida, umgeleitet wird. Niemand kennt seinen richtigen Namen und nur die engsten Vertrauten kennen sein Gesicht. Also mach dich auf was gefasst. Erledige deinen Job regelmässig. Es können mehrere hundert Millionen Yen dafür herausspringen, falls du deine Sache gut machst! Ich beziehe nur drei Viertel von deinem ersten Gehalt ab. Den Rest kannst du für dich beanspruchen. Daher kommt es auf dich drauf an, wie du die Umleitung regelst, wie lange du es machen will und wie viele Leute du darin involvierst. Allerdings wird Rida nicht ruhen, bis er dich und deine engsten Bekannten mit abgezogener Haut und zerstückelt in den Pfannen seiner Küche kochend sieht, falls du einen Fehler machst.“ Alec Schluckte. Er dachte über die Summe nach, und über die Gefahren, die dieser Auftrag mit sich bringen könnte. Jedoch konnte er dem Geruch nach Geld und dem Gedanken, dass er, wenn er wollte, nie mehr nach einem neuen Auftrag suchen musste, nicht wiederstehen. „Geht in Ordnung. Ich nehme den Auftrag an. Soll dieser Kenzo Yamada seinen Stoff nur schicken!“ Danne nickte, holte einen gefalteten Vertrag aus seiner Jackeninnentasche und drückte ihn Alec in die Hand. „Lies ihn gut durch, unterschreibe und gib ihn mir morgen ausgefüllt zurück. Ich werde ihn an Rida weiterleiten lassen. Und vergiss nicht… Ich gehöre auch zu deinen engsten Bekannten. Also mach keinen Fehler, sonst zieh ich dir schneller die Haut ab, als er dich finden kann!“ Danne zwinkerte, Alec presse die Lippen fest aufeinander und seine Augenlieder zuckten. „Klar doch. Allerdings würde es mich reizen, einen Fehler zu machen, nur um zu sehen, wie Rida dich zuerst findet, und dich in seinem Magen verdauen lässt.“, meinte Alec. Danne boxte Alec an die rechte Schulter und sagte: „Pass bloss auf. Du unterschätzt meine Schächt-Künste.“ Alec schnaubte und lachte. „Komm, ich offeriere dir eine Flasche gebrannter Birnenschnaps.“, fügte Danne hinzu und zog Alec zur Bar und goss die goldene Flüssigkeit in ein kleines Gläschen, welches er aus dem Schrank hinter den Tresen genommen hatte. „Dies wird wieder eine lange Nacht werden…“, flüsterte Alec vor sich hin und leerte schon das erste Gläschen des heutigen Abend mit einem Zug.


Fortsetzung folgt...

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